Schlechte Noten für DDR-Opposition

■ Westberliner Linke sitzt zu Gericht über DDR-Konzepte

Berlin (taz) - Eingeladen hatte die Westberliner Evangelische Akademie am Donnerstag zu einer Diskussion über „DDR-Konzeptionen und Perspektiven für die 90er Jahre“. Referenten aus der SED, DDR-Opposition und vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatten einige hundert Menschen angelockt. Doch Geschwätzigkeit ergrauter Linker und der langatmig zensierende Moderator Hubertus Knabe mußten enttäuschen. Sie saßen zu Gericht über die DDR -Opposition und bedachten Professor Hans Berg von der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED mit Häme.

Der erste Diskussionspunkt „Erwartungen an den runden Tisch“ wurde mit zwei Statements von Berg und Edelbert Richter (Demokratischer Aufbruch) abgehakt. Anstelle der angekündigten Debatte über „Vorstellungen über die Umgestaltung des politischen Systems“ ein Schlagabtausch über Worthülsen. Aus dem Publikum kam der Vorwurf, die sich sozialistisch verstehenden Oppositionellen weigerten sich, das „Scheitern messianischer Visionen“ anzuerkennen und - in verschiedenen Versionen ein Lob auf die BRD-Demokratie inklusive Marktwirtschaft.

Kaum eine Hand rührt sich, als Wolfgang Templin (seit wenigen Tagen wieder in der DDR) bemerkt, das Publikum dürfe „von der DDR-Opposition nicht erwarten, was die westdeutsche Linke nie geschafft hat: ein fertiges Rezept für den Sozialismus“. Von Ökonomie versteht die DDR-Opposition nichts, gibt man ihr zu verstehen. Templins Vorstellungen seien „zu simpel“, Ungarn zeige doch die Macht des Kapitals. Der konterte: „Wenn Ihr derart handlungsunfähig seid und gar ein Rekord-Rüstungsetat problemlos verabschiedet werden kann, dann sehe ich in der Tat schwarz.“ Allein Dr. Doris Cornelsen (DIW) räumte der DDR eine Existenz-Chance ein, vorausgesetzt, die Wirtschaftsreform werde umgehend in Angriff genommen.

peb