Keine wundert's, außer die Partei

■ Stellungnahmen, Interviews, Stimmen aus der Bremer Kulturszene zur Rücktrittserklärung von Horst-Werner Franke, Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst

Hille Darjes, Schaupielerin der Shakespeare Company:

Mich hat das nicht gewundert. So ein Job und mit der Freude an Auseinandersetzung, wie er ihn immer geführt hat, da finde ich es schon erstaunlich, daß er das 17 Jahre gemacht hat. Ganz abgesehen davon, daß er lange Jahre gegen seine eigene Partei und gegen den unglücklichen Kulturbegriff der gesammelten Linken arbeiten mußte. Und: mit einem so winzigen Kulturetat läßt sich nicht viel machen. Die taz hatte ja damals vorgeschlagen, ich sollte Kultursenatorin werden. Da hat er gesagt, als ich ihn einmal getroffen hatte: O bitte, machen Sie es, bitte! Das ist also wohl nicht ein Gedanke, der ihm ganz plötzlich gekommen ist, wo er gesagt hat: Nun läuft mir die Galle über.

Ist er für Dich ein Hochkulturförderer?

Ich glaube, er ist ein Eiertänzer. Dieses Musikfest ist der Versuch, irgendwo mitzuhalten, politische Begierden zu befriedigen, daß sich Kultur auszahlen muß.

War das Frankes eigenes Interesse?

Frankes eigenes Interesse könnte ich gar nicht benennen. Ich hatte z.B. immer den Eindruck, er ist gerne zu uns gekommen, obwohl er nicht oft gekommen ist. Er hat sich uns gegenüber enorm bewegt, von der krassesten Ablehnung, von „man hat sie nicht gerufen“ bis zu einer großen Sympathie, auch einer gegenseitigen. Für mich an seiner Stelle wären die Zwänge einer akulturellen Partei das Entscheidende gewesen. Z.B. das, was Grobecker immer so sinnlos in die Gegend setzt: Solange meine Arbeiter in Walle das nicht sehen, solange interessiert mich das alles nicht.

Ilse Lakmann, SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, Bildungs-und Gesundheitspolitikerin:

Ich hab‘ mich natürlich gewaltig aufgeregt. Ich habe auch schon ein paar Anrufe bekommen. Die sind alle perplex. Es ist alles unter dem Deckel gehalten worden. Die Partei weiß von nichts. Mit „Thomas“ Franke haben wir ja einige Sträuße ausgefochten. Aber er ist einer unserer stärksten Senatoren. Er hatte Herz-Rhythmus-Störungen, das wußten wir. Ich hatte wirklich gehofft, er würde bis zum Ende der Legislaturperiode mitmachen. Es waren ja auch Haushaltsberatungen, ich weiß nicht, was ihm den Rest gegeben hat. Am Bildungsressort kann es eigentlich nicht gelegen haben, da haben wir ganz gut zusammengearbeitet. Deshalb: Das schmerzt. Ich bin regelrecht ein bißchen fertig. Vera Rüdiger? Vom Amt her würde sie das können, das ist ja klar. Ich sitze ja auch in der Gesundheitsdeputation. Die Senatorin ist sehr, sehr klug. Mit diesen Oberärzten, da muß man reden können. Das wäre schade, wenn die da jetzt rausgenommen würde. Aber was soll man machen: Wir Basisleute, wir muddeln und kriechen hier rum, und von oben wird das dann wieder kaputt gemacht, das geht aber, glaube ich, jeder Fraktion so.

Francesca de Martin, freie Schauspielerin:

Es sind ja große Streits gewesen in der letzten Zeit: das Musikfest und die freie Szene und die Freiraumtheatergeschichten. Insofern: Ich wundere mich nicht. Seitdem ich hier in Bremen bin, sind sehr wenig gute Sachen passiert. Und Bremen ist die einzige Stadt, die so einen kleinen Etat hat für Kultur - und: Wenn jemand seine Arbeit gut macht, dann gibt es auch keine Herzschwierigkeiten. Ich arbeite seit 15 Jahren im Theater, aber ich bin zufrieden mit dem, was ich mache. Und ich kann das machen, was ich will, und bin in bester Verfassung.

Jürgen Müller-Othzen, Leiter von Freiraum-Theater und Schule:

Nein, es hat mich nicht gewundert, daß er zurückgetreten ist. Franke wurde in letzter Zeit ja von allen Seiten angegriffen. Und seine Verteidigungen waren nicht mehr sehr griffig. So daß man das Gefühl hatte: na, ob da noch sehr viel Kraft dahinter steckt?

Würdest Du ihn dafür verantwortlich machen, daß Ihr den Gastspielbetrieb einstellen mußtet?

Nein, verantwortlich nicht. Aber ich habe immer sehr bedauert, daß er als Kultursenator für unsere Aktivitäten nicht einen Abend Zeit gefunden hat. Ich finde, daß das eine gewisse Pflicht gewesen wäre. Über die Presse wurde ja langsam klar, daß Freiraum nicht nichts ist. Ich finde, daß er sich um die freien und experimentellen Bereiche der Kultur in seiner Stadt nicht genug gekümmert hat.

Siehst Du in ihm einen Vertreter der Hoch-und Glanzkultur?

Ja, das hat er auch in der letzten Zeit deutlich gemacht. Wenn er Bremen aus der Provinzialität heben will, indem er solche Highlights rausdonnert, ich weiß nicht, ob er dann richtig beurteilt, was eigentlich Provinz ist. Es gibt auch Hochkulturprovinz. Und daß das Geld fehlt, das liegt letztlich am Konzept. Man sieht doch, daß plötzlich drei Millionen da sind, wenn sie mal schnell gebraucht werden. Ich denke, daß das auch eine Frage der Verteilung ist und des Kontakts der verschiedenen Senatoren untereinander.

Stellungnahme des Vorsitzenden des Landesmusikrates, Klaus Bernbacher, der vor einer Woche den Rücktritt Senator Frankes gefordert hatte:

Senator Franke zieht durch seinen Rücktritt die Konsequenz aus einer verfahrenen Lage, um das Feld frei zu machen für eine sinnvolle Kulturpolitik in Bremen. In diesem Zusammenhang muß auch die Position des Senatsdirektors Prof. Hoffmann zur Disposition stehen.

Interviews: Uta Stolle