Mit 20 schon die Rentenreserve anlegen

■ Interview mit der Versicherungsfachfrau Bärbel Hartz: Die meisten Frauen kümmern sich nicht um Rentenfragen

Bärbel Hartz, Sozialarbeiterin und selbständige Versicherungskauffrau, berät ihrem Bremer „Versicherungkontor“ vor allem Frauen.

taz: In welchem Alter kommen Frauen zu Dir, weil sie sich um ihre Rente sorgen?

Bärbel Hartz: Das Bewußtsein über die Altersversorgung setzt erst ab dreißig, Mitte dreißig ein. Es ist auch schon Teil des Problems, daß jüngere Frauen nicht darüber nachdenken. Denn es wäre alles viel einfacher, wenn die Frauen sich schon mit zwanzig sagen würden: Gut, die gesetzliche Rentenversicherung ist desolat, da muß ich mal 'ne kleine Reserve bilden. Dann könnte die Reserve noch klein sein.

Das heißt, Du rätst den Frauen, zusätzlich zur gesetzlichen eine private Rentenversicherung abzuschließen - oder was heißt 'eine Reserve bilden‘?

Eine Reserve kannst Du auf verschiedene Arten bilden. Aber es bietet sich schon an, da an Versicherungen zu denken. Denn sie sind vom System her vergleichbar mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Es geht um eine kontinuierliche Zahlung und darum, daß die schon mit 50 Mark im Monat möglich ist. Und es gibt Steuervorteile. Wichtig ist, die Problematik überhaupt zu sehen - und sich klarzumachen, daß es einen sehr langen Zeitraum dauert, wenn ich im Alter einen nennenswerten Betrag zusammenhaben will. Beispiel: Wenn Du irgendwoher als 60jährige 200.000 Mark hast, sei es aus einer Erbschaft oder aus einem Sparvertrag, dann könntest Du zwanzig Jahre lang jeden Monat von 1.500 Mark leben. Aber dafür mußt Du eben 200.000 Mark haben. Das ist viel. Wenn Du die in 40 Jahren zusammentragen willst, ist das schon realistischer, als wenn Du dafür nur 20 Jahre Zeit ansetzt.

Viele Frauen denken immer noch: da gibt es ja so eine Rentenversicherung, das wird ja sowas sein wie die Krankenversicherung. Da bin ich ja abgesichert. Aber es gibt noch nicht mal eine Mindestrente bei uns. Das wäre dann höchstens die Sozialhilfe.

Welche Chancen siehst Du für politische Veränderungen?

Bärbel Hartz: Im Grunde genommen müssen Frauen, wenn sie das Problem überhaupt mal erkannt haben, zweigleisig fahren. Einmal sich um ihre eigene Rente kümmern und außerdem auf der politischen Ebene agieren: Im Moment sind diese ganzen Rentengeschichten total in Männerhand. Es ist ein ausgesprochenes Expertenwissen von einem ganz kleinen Kreis von Männern, denen das Problembewußtsein fehlt. Die wissen zwar pauschal, 'Frauen stehen nicht so gut da‘, aber im Grunde denken sie, 'das System ist in Ordnung‘.

Frauen könnten da nur was machen, wenn sie sich in Gruppen zusammen tun. Z.B. die Rentenversicherungsträger haben Selbstverwaltungsorgane, d.h. die ganzen Leute sind gewählt. - Leider haben auch die Frauenorganisationen bei der jetzigen Rentenreform nicht offensiv im Sinne der Frauen agiert

Was bringt denn das Mittel „Eheschließung“ den Frauen, die an ihre Rente denken?

Bärbel Hartz: Eine verheiratete Hausfrau hat keinen Rentenanspruch, die müßte von der Rente des Mannes mitleben, wie sie vorher von seinem Einkommen mitgelebt hat. Bei der Scheidung gibt es den soganannten Versorgungsausgleich, da werden die Ansprüche, die beide erworben haben, halbiert. Das heißt dann allerdings oft, daß es für beide nicht genug ist.

Wenn beide berufstätig sind, begründen beide einen Anspruch an die Rentenversicherung. Nur: Solch eine durchgehende Erwerbsbiographie trifft auf die meisten Frauen nicht zu. Wenn im Alter der Mann stirbt, kriegt die Frau eine Witwenrente und umgekehrt der Mann eine Witwerrente.

Aber erstens werden nicht alle Frauen Witwen, es gibt auch Frauen, die nicht verheiratet sind. Und zweitens sind die 60 Prozent der Männerrente, die für die Witwe übrig bleiben, nicht ausreichend. Es geht darum, eine eigenständige Rentenversorgung für Frauen zu installieren, und das klappt bisher nicht, weil das A & O in der Rentenversicherung die Erwerbstätigkeit ist. Es zählt alles das nicht, was in der Regel Frauen machen: Familienarbeit, Hausarbeit, Kindererziehung. Daher fallen Frauen aus dem Raster raus. Der Nachteil der privaten Versicherungen ist demgegenüber: Die wollen nur gesunde Leute. Und sie zahlen keine Kuren, keine Berufsunfähigkeits-, keine Erwerbsunfähigkeitsrenten. Bei den privaten kannst Du Dich überhaupt nur versichern, wenn Du kerngesund bist.

Wer von den Frauen kann sich eine private Lebens- oder Rentenversicherung leisten?

Bärbel Hartz: Das ist natürlich klar: Das können nur die Frauen, die das Geld haben. Dadurch wird die Schere natürlich noch vergrößert. Aber auch bei denen, die in eine Versicherung investieren, geht es immer darum, was die Frauen bezahlen können und nicht darum, was wünschenswert ist. Wünschenswert wäre sicherlich, mit sechzig eine halbe Million zu haben. Allerdings: mit monatlich hundert Mark oder bei jungen Frauen mit 50 Mark kannst Du da durchaus schon was erreichen. Bei den meisten Frauen hängt's nicht daran, daß sie zuwenig Geld haben, sondern, daß sie sich nicht um das Thema kümmern.

Interview: Barbara Debus