Zurück zur wieder glücklichen Familie?

■ Sexuell mißbrauchte Mädchen: Diskussion einer therapeutischen Alternative zur „feministischen Sackgasse“

Ein achtjähriges Mädchen hat Angst, mit Männern allein im Raum zu sein. Die Lehrerin wird mißtrauisch und informiert das Jugendamt, welches Kontakt zur Familie aufnimmt. Der Verdacht erhärtet sich: Das Kind wird seit Jahren vom Vater sexuell mißbraucht. Nach Überzeugung des Familienberaters Werner Busch, Referent einer Diskussionsveranstaltung bei den Kreuzberger „Wildwasser„-Aktionstagen, kann hier nur eine neue Familientherapie helfen, die in den USA Tätern bereits als Alternative zum Knast geboten wird.

Dieses Modell wurde von Busch und Ehefrau nun im Elternzentrum Mehringdamm vorgestellt: Als erstes wird das mißbrauchte Kind aus der Herkunftsfamilie genommen. Die betroffenen Familienmitglieder finden sich in getrennten Selbsthilfegruppen zusammen, wobei der Täter nach dem Motto: „Ich bin Fritz und habe meine Tochter sexuell mißbraucht“ die Verantwortung zu übernehmen hat. Parallel dazu werden mit familientherapeutischer Unterstützung die Unterbeziehungen der Familie aufgearbeitet: Zuerst reden Mutter und Tochter miteinander, dann die (Ehe-)partner, nach Buschs Überzeugung besonders wichtig - denn: „Kernbestand des sexuellen Mißbrauchs ist die kaputte Ehe.“ Zuletzt treffen Vater und Tochter aufeinander, wobei der Vater seine Schuld vor der Tochter bekennen muß und diese ihre Wut und Enttäuschung zeigen darf. Wenn alles gut geht, sind mit familientherapeutischer Unterstützung nach etwa einem Jahr Vater, Mutter und Kind(er) wieder glücklich vereint, und „die Tochter kann nach einiger Zeit auch wieder von sich aus körperlichen Kontakt zum Vater suchen“.

Die Vorteile dieser „Alternative zur feministischen Sackgasse“: „Frau lebt verkehrt, wenn sie mit Mann verkehrt“, liegen für Busch auf der Hand. Vor allem würde einer sozialen Ausgrenzung der betroffenen Familie vorgebeugt, durch die das Opfer doppelt bestraft werde. Denn, so Busch, die meisten Mißbrauchsopfer wären bereit, dem Vater zu verzeihen und wünschten ihn sehnlichst in die Familie zurück. Als Beweis zitierte er den Brief des Mädchens Debbie, das schreibt: „Ich kann ihn nicht hassen für das, was er getan hat. Ich liebe ihn zu sehr, um ihn zu hassen... Ich denke, es ist Zeit, daß er nach Hause kommt...“

Die Aussagekraft solcher Bekundungen wurde in der nachfolgenden Diskussion von vielen TeilnehnerInnen mit Hinweis auf die grundsätzliche kindliche Abhängigkeit bezweifelt. Ein Disput über die Ursachen des sexuellen Kindesmißbrauchs begann: Die sind nämlich - laut Busch - in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft zu suchen, die „Verwandtschaft von Vergewaltigung und entfremdeter Lohnarbeit“ liege klar auf der Hand. „Warum dann nicht auch Frauen haufenweise Männer und Kinder vergewaltigen?“ wurde Busch von einigen aufgebrachten Teilnehmerinnen gefragt. Zudem sind die Täter, die von sich aus eine Behandlung suchen, wie eine „Wildwasser„-Mitarbeiterin sagte, äußerst selten: „Sonst hätten wir schon Wartelisten von Selbstmeldern angelegt.“

Dagmar Schediwy