„Regelmäßig Fehlentscheidungen“

■ Sozialamt will während des Erziehungsurlaubes Sozialhilfe nur als Darlehen zahlen

Recht zu haben und recht zu bekommen, das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Frauen, die gerade ein Kind bekommen haben, und sich um finanzielle Unterstützung bemühen, machen entsprechend schlechte Erfahrungen mit dem Bremer Sozialamt. So zum Beispiel Eva P., Mutter eines viermonatigen Jungen: Sie berichtete gestern zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsloser Bürger (AGAB) in einem Pressegespräch von ihren Erfahrungen.

Eva, 35 Jahre, will nach der Geburt ihres Kindes fünf Monate des Erziehungsurlaubs in Anspruch nehmen. Eigentlich stehen ihr sogar 15 Monate zu, doch sie meint, daß sie so lange nicht aus der Arbeit aussteigen kann, ohne ihre berufliche Position zu gefährden. Arbeitsplatzsicherung und Kündigungsschutz nach dem Erziehungsurlaub sind eben nur abstrakte Rechte. Mit den 600 Mark Erziehungsgeld kann sie aber nicht leben. Nach vielen Telefonaten bringt sie in Erfahrung, daß sie Sozialhilfe beantragen kann.

Bei ihrem ersten telefonischen Kontakt mit der Sachbearbeiterin vom Sozialamt wird ihr gesagt, sie könne Sozialhilfe auf Darlehensbasis erhalten, da sie nach dem Bundessozialhilfegesetz Paragraph 15 b nur kurzfristig auf die Unterstützung angewiesen sei. Eva ist sauer. Zufällig kennt sie Marie-Luise Heinzerling von der AGAB, die ihr sagt, daß ihr nach Paragraph 8 des Bundeserziehungsgesetz uneingeschränkt Sozialhilfe zusteht. Mit dieser Information geht Eva P. jetzt persönlich zum Sozialamt in der Martinistraße. Die Sachbearbeiterin kann mit dieser Information nichts anfangen, sie kennt die Paragraphen nicht, hat sie auch nicht vorliegen.

Auch ihr Dienststellenleiter, den sie telefonisch bemüht, weiß nichts. „Sozialhilfe auf Darlehensbasis, da könnte ich doch gleich von Erspartem leben“, entfährt Eva während der Diskussion im Sozialamt. Daraufhin habe die Sachbearbeiterin sofort nach Ersparnissen gefragt. Trotzdem stellt Eva den Antrag auf Sozialhilfe und unterschreibt einen Zusatz, nachdem sie zur Kenntnis genommen hat, daß die Gewährung nur auf Darlehensbasis erfolgt.

Beim dritten Gespräch kommt Marie-Luise Heinzerling mit. Nach einstündigem Gespräch, wird den beiden zugesagt, daß auf einer am Nachmittag anstehenden Konferenz die Sache geklärt werden soll. Am nächsten Tag bekommt Eva einen Anruf, daß die Sache trotz Konferenz ungeklärt geblieben sei, und dann kommt schließlich der schriftliche Bescheid über 668,50 Mark - auf Darlehensbasis. Der Streit geht also weiter.

Ursula Stielike und Marie-Luise Heinzerling von der AGAB gehen davon aus, daß „das Sozialamt im Zusammenhang mit dem Erziehungsgeld regelmäßig falsch entscheidet“. Weitere Fälle sind der AGAB bekannt. So würden Frauen auch wieder weggeschickt, weil die Anspruchsberechtigung bestritten oder es das Erziehungsgeld in voller Höhe auf die Sozialhilfe angerechnet werde. Nichts von allem sei rechtens.

mb

Die beiden Frauen von der AGAB bieten allen, die im Zusammenhang mit Erziehungsgeld und Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und anderen Sozialleistungen Unsicherheiten oder Probleme haben, ihre kostenlose Beratung an. „AGAB“ e.V./Arbeitslosen-Zentrum, Grenzstraße 122, Tel. 395297/50, Montag - Donnerstag, 9-14 Uhr