Bush spielt weiterhin die „Chinakarte“

Sechs Monate nach dem Massaker auf dem Tiananmen, hat der US-Präsident Lieferung von Satelliten nach China erlaubt / Demokraten: „Realpolitik im Amoklauf“ / Überholte Geostrategie und biederer Geschäftssinn  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Als hätte es noch eines weiteren Beweises dafür bedurft, daß die US-Außenpolitik nie von moralischen Gesichtspunkten geleitet wird, hat Präsident Bush am Dienstag den Verkauf von drei Satelliten an China bewilligt. Sie sollen im Auftrag Australiens und eines asiatischen Konsortiums von chinesischen Raketen in den Weltraum transportiert werden. Bush unternahm damit einen weiteren Schritt hin zu einer Normalisierung der Beziehungen zu China. Wie das Weiße Haus mitteilte, bewilligte Bush außerdem, daß die Bank Export -Import (Eximbank) Aktivitäten amerikanischer Unternehmen in China finanziert. Beide Entscheidungen seien im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten getroffen worden, hieß es.

Schon vor gut einer Woche hatte das Weiße Haus zwei ranghohe Regierungsvertreter nach Peking entsandt und damit die Kontakte zu China auf hoher Ebene wieder aufgenommen, die nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking im Juni abgebrochen worden waren. Ausgerechnet an dem Tage, an dem der Dalai Lama in Norwegen den Nobelpreis für seinen friedlichen Widerstandskampf gegen die chinesischen Unterdrücker verliehen bekam, stießen die beiden Boten Washingtons in Peking mit der chinesischen Führung auf die Normalisierung an.

Die beiden Abgesandten, Bushs nationaler Sicherheitsberater Brent Scowcroft und der stellvertretende Außenminister Lawrence Eagleburger, waren damit schon zum zweiten Mal in Peking, nachdem die Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee am 4.Juni der Demokratiebewegung ein gewaltsames Ende bereitet hatten. Wie eine empörte amerikanische Öffentlichkeit erst jetzt zufällig erfuhr, waren Scowcroft und Eagleburger bereits vier Wochen nach dem Massaker vom Tiananmen Square in einer Geheimmission nach Peking geflogen; angeblich, um die Abscheu der Bush -Administration persönlich zu übermitteln. Bei ihrem zweiten Peking-Besuch vor 14 Tagen wurde die Kritik des Botengespanns an der chinesischen Führung jedoch schon von einer Betonung der Gemeinsamkeiten zwischen den Gesprächspartnern abgelöst.

„Negative Kräfte in beiden Ländern“, so erklärte General Scowcroft in seiner Ansprache, wollten eine Verbesserung der sino-amerikanischen Beziehungen verhindern; womit er die mordenden Hardliner in Peking gleich mit den Bush-Kritikern und lästigen Liberalen daheim in einen Topf geworfen hatte. Im Gegensatz zu der amerikanischen Öffentlichkeit und zum Kongreß hatte sich die Bush-Administration mit ihrer Kritik an der Ermordung von 1.300 Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni von Anfang an zurückgehalten. Nur um weitergehende und gesetzlich festgeschriebenen Sanktionen zu verhindern, hatte George Bush im Sommer selbst Minimalsanktionen, wie ein Verbot von Waffenlieferungen und Polizeiausrüstungen an China verfügt. Und gegen ein Gesetz, das den in den USA studierenden Chinesen ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht gewährt hätte, legte Bush gar ein Veto ein.

Die nachsichtige und chinafreundliche Haltung der US -Rechten hat Tradition, wenn auch zu Glasnost-Zeiten kaum noch Sinn. Bush, der unter Richard Nixon genau die Botenrolle ausführte, die Scowcroft und Eagleburger heute für ihn wahrnehmen, versucht 26 Jahre nach Nixons historischem Peking-Besuch immer noch die „Chinakarte“ gegegenüber der Sowjetunion zu spielen. Doch was für die Bush-Administration eine Mischung aus Tradition, vordergründigem Geschäftsinteresse und überholter geostrategischer Überlegungen ist, stellt für den Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Ron Brown, eine „Realpolitik im Amoklauf“ dar. Seit dem Waffenverkauf an den Ajatollah im Rahmen des Iran-Contra-Deals, so Brown, habe es keine Entscheidung mehr gegeben, die so gegen die amerikanischen Werte verstoße, wie diese China-Besuche von Scowcroft und Eagleburger.