Adieu Genosse Major

■ Armee und Parteien verabschieden sich von Begriffen

Die DDR-Liberalen haben die Nase voll vom Sozialismus, wollen auf ihrem Sonderparteitag Anfang Februar das Bekenntnis zu Marktwirtschaft und staatlicher Einheit ablegen.

Während die SPD die SDP unter ihre Fittiche nimmt, hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nunmehr endgültig ihr Herz für den Demokratischen Aufbruch und die Ost-CDU geöffnet, Kooperation beschlossen und verkündet. Die geschmähte SED -PDS hingegen freut sich über neue Kontakte zu den Schweizer Sozialdemokraten, die anders als ihre westdeutschen Genossen „mit Kräften des demokratischen Sozialismus in Verbindung“ bleiben wollen.

Apropos Genosse: dieses Wort steht bei der Nationalen Volksarmee auf der Abschußliste. Es spreche nichts dagegen, so der Vorsitzende der Kommission Militärreform, Soldaten und Offiziere künftig mit Herr anzureden“.

Den Beweis, daß nach dem Abschied der SED jetzt die Medien die führende Rolle bei der Erneuerung beanspruchen, lieferte die 'Wochenpost‘. Als erstes Massenblatt korrigierte die Zeitung die „falsche Einschätzung“ und verlogene Darstellung des chinesischen Massakers. Zwar droht den Autoren nicht mehr Knast, doch Regierung und Volkskammer konnten sich von den amtlichen Lügen bisher nicht verabschieden.

Infolge der Ausreisewelle sank die DDR-Industrieproduktion im November um 2,5 Prozent. Das beinhaltet Lieferrückständen insbesondere bei allem was der Mensch sich in die Wohnung stellt, bei Kosmetika und Spielzeug. Trotz des Warenmangels werden 1,5 Millionen Beschäftigte in Sozialberufen 950 Millionen Mark mehr Einkommen erhalten. Wer nicht mehr bis zum Rentenalter auf den Trabi warten will, kann sich vom reichen BRD-Onkel ein Auto schenken lassen oder es bei der Erbtante abstauben. Neue Zollbestimmungen ermöglichen unproblematische, aber teure Ein- und Ausfuhr. Und für die Kleinen hat der „Columbus-Männerchor“ aus den Vereinigten Staaten Spielzeug für 8.000 Mauerstein-Dollar gekauft.

Etwas umfänglicher die Finanzspritzen der Bundesländer an die DDR. Mehrere hundert Millionen D-Mark für Projekte vor allem im Umweltschutz, Städtebau und der medizinischen Versorgung machten sie locker. NRW erschließt seinen Kapitalisten den Markt mit einer Bürgschaft über eine Milliarde. Hamburg liefert Dresden unter anderem drei gebrauchte Fahrzeuge zur Kanalreinigung. Mit Hausmüll will Hessen die DDR künftig verschonen, der Sondermüll hingegen rollt weiter über einige der mittlerweile weit über hundert Grenzübergänge.

peb