: Kabinett öffnet Milliardengrab „Transrapid“
■ Bonner Grundsatzbeschluß für den Bau der Pilotstrecke Köln/Bonn-Düsseldorf mitten durch dichtbesiedeltes Gebiet / Die umstrittene Magnetschwebebahn gegen die Fachgutachten aus dem Umwelt- und Verkehrsministerium durchgeboxt / Das Konfliktpotential regt sich
Berlin (taz) - Die Thyssen-AG kriegt zu Weihnachten ihr Lieblingsspielzeug. Entgegen allen ablehnenden Gutachten und Empfehlungen aus dem Umwelt- und Verkehrsministerium hat das Bonner Kabinett am Mittwoch abend eine Grundsatzentscheidung für den Bau einer Pilotstrecke der von Thyssen entwickelten, umstrittenen Magnetschwebebahn Transrapid zwischen den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf beschlossen. Die 54 Kilometer lange Verbindung soll später bis Essen auf 85 Kilometer verlängert werden. Mit geschätzten Gesamtkosten von 3,6 Milliarden Mark wäre dies die teuerste Verkehrsstrecke, die jemals in der Bundesrepublik gebaut wurde. Der Transrapid soll mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 218 km/h und Spitzengeschwindigkeiten von 400 km/h auf dieser Referenzstrecke verkehren. Forschungsminister Riesenhuber, der zusammen mit Wirtschaftsminister Haussmann als Hauptziehvater des Transrapid gilt, nannte als Baubeginn für die Strecke das Jahr 1993. Bis spätestens im Jahr 1997 soll die Stelzenbahn fertiggebaut sein - mitten durch dichtbesiedeltes Gebiet.
Doch ob es jemals dazu kommen wird, ist auch nach der Kabinettsentscheidung noch sehr fraglich. Als Bedingung für den Bau hat das Bonner Kabinett nämlich eine finanzielle Beteiligung der Privatwirtschaft, der Gebietskörperschaften und vor allem des Landes Nordrhein-Westfalen genannt. Die NRW-SPD hatte aber erst auf ihrem letzten Landesparteitag einen Grundsatzbeschluß gegen die öffentliche Finanzierung des Superzuges gefaßt. Die SPD ist in der Frage des Transrapid gespalten, ihre Position wird im derzeitigen Wahlkampf von den Protesten entlang der geplanten Trasse abhängen.
Riesenhuber begründete die Entscheidung für die Schnellbahn auch mit exportwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Gegenwärtig werde über zehn Projekte im Ausland verhandelt, und der Transrapid gelte als „international führend“. Verkaufen kann ihn der Thyssen-Konzern allerdings vor allem dann, wenn zu Hause eine Vorzeigestrecke steht.
Mit der Kabinettsentscheidung für den Transrapid blieb der Sachverstand aus dem Hause Töpfer und Zimmermann auf der Strecke. In einem vertraulichen verkehrspolitischen Gutachten des Verkehrsministeriums war der Transrapid ungewöhnlich klar abgelehnt worden. Fazit: Der Transrapid biete „keine Zukunftsperspektive für die Lösung der Verkehrsprobleme der Bundesrepublik“. Er könne den Straßenverkehr nicht entlasten, sondern ziehe 80 Prozent seiner Fahrgäste von der Bahn ab; zudem bestehe ein „großes finanzielles Risiko“ bei einem errechneten Kostendeckungsgrad von ganzen 32 Prozent. Das Umweltbundesamt war ebenfalls eindeutig: Mit dem Transrapid „ist kein lärmarmes, energiesparendes und landschaftsschonendes Verkehrssystem entwickelt worden“, bilanzierte die Berliner Behörde. Und die hannoversche Planungsgruppe „Ökologie und Umwelt“ kam in ihrem Gutachten für Umweltminister Töpfer zu der „Gesamteinschätzung“, daß die Magnetbahn „unter Umweltgesichtspunkten aus heutiger Sicht nicht sinnvoll“ erscheint. Und selbst eine Feldstudie der Magnetbahn-Unterstützer kam für die jetzt beschlossene NRW-Strecke zu dem Schluß: „Überdurchschnittliche Siedlungsdichte und ökologische Verarmung bedingen ein gewisses Konfliktpotential“.
Dieses Potential hat sich gestern lautstark zu Wort gemeldet: Der ökologische Verkehrsclub VCD nannte das Transrapid-Projekt „verkehrspolitischen Größenwahn“, und der grüne Verkehrsexperte Michael Weiss sprach von einer „völlig absurden Entscheidung“ für den „Tiefflieger auf Stelzen“.
Wilfried Sauter vom Bund Naturschutz rückte die verkehrspolitischen „Sekundäreffekte“ des Transrapid in den Vordergrund. Die Schnellverbindung sei konzipiert als Bestandteil des Flughafensystems in NRW. Ziel sei nicht, wie vielfach verkündet, den Düsseldorfer Flughafen zu entlasten, indem ein Teil der Fluggäste auf der schnellen Schiene nach Köln-Bonn befördert würden, sondern eine Erhöhung der Kapazitäten beider Flughäfen. Analog zum Frankfurter Flughafen solle ein „Luftkreuz NRW“ entstehen. Bürgerinitiativen entlang der geplanten Strecke, BUND und Grüne kündigten für den 20.Januar einen „landesweiten Aktionstag“ gegen den Transrapid an.
M. Kriener/B. Markmeyer
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