Krimis: Truman Capote "Kaltblütig"/Joseph Wambaugh "Tod im Zwiebelfeld" u. "Der Susan-Reinert-Fall"/Theodor Lessing "Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs"

Krimis zu lesen, rangiert auf der Liste meiner Lieblingsbeschäftigungen auf Platz Fünf (den Teufel werd‘ ich tun und euch die ersten vier verraten). Aber da ich diese Liebhaberei mit sehr viel Fleiß ausübe, ist sie zugleich die zeitaufwendigste. Ich erschauere, wenn ich daran denke, wieviel kostbare Zeit ich lesend verschleudere. Schließlich könnte ich die Stunden, in denen ich Krimis in mich hineinfresse, doch sinnvoll nutzen. Ich könnte einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen, ein Haus bauen... Aber lassen wir das, keine Schuldgefühle!

Bei dieser ganzen Fülle von tollen Geschichten sind die mit einem realen Hintergrund die aufregendsten. Ich meine Bücher, in denen es nicht so sehr darum geht, Spannung zu erzeugen, sondern mehr darum, den Täter und auch die Opfer realistisch darzustellen, Bücher, die die Frage stellen: Wie konnte es dazu kommen? Der berühmteste Reportage-Roman ist Truman Capotes Buch über den Mordfall Clutter: Kaltblütig. Capote selbst erklärte den Erfolg, den diese Art von Büchern haben, so: „Ich habe immer gefühlt, daß der Bericht, wenn man in ihm die Kunst des Romanciers mit der Technik des Journalisten zusammenbrächte - Fiction mit dem Plus der tatsächli chen Wahrheit - die größte Tiefe und die stärkste Durchschlagkraft gewinnen müsse.“ (rororo)

Ein anderer amerikanischer Autor und ehemaliger Cop, Joseph Wambaugh, war wohl der gleichen Meinung. Tod im Zwiebelfeld heißt sein faszinierender Bericht über einen authentischen Polizistenmord und seinem juristischen Nachspiel. Es ist die Geschichte zweier junger Streifenpolizisten und zweier junger Krimineller, deren Schicksale sich eines Nachts in einer gottverlassenen Gegend von Los Angeles verhängnisvoll kreuzen. (Heyne).

Vom gleichen Autor stammt Der Susan-Reinert-Fall. Wambaugh hat hier den bis heute ungeklärten Mord an einer jungen Frau aufgerollt und zu einem authentischen Roman verarbeitet: 1979 wird westlich von Philadelphia die Lehrerin Susan Reinert ermordet. Ihre beiden Kinder verschwinden spurlos. Einer ihrer Kollegen wird verhaftet und in einem aufsehenerregenden Indizienprozeß zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Doch drei Jahre später werden andere Fakten bekannt... (Hestia).

Dem Luchterhand Verlag ist es zu verdanken, daß wir Theodor Lessings Text Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs wieder lesen können. Der Kulturkritiker, Philosoph und Psychologe Theodor Lessing (1872-1933) war, als er den Prozeß des Massenmörders Fritz Haarmann beobachtete, Professor an der Universität Hannover. Seine kritische Berichterstattung („Kaum jemals ist ein bedeutender Prozeß unfähiger, kleinlicher und törichter geführt worden.„) führte zu seinem Ausschluß aus dem Gerichtssaal und zu einem Disziplinarverfahren. Das Haarmann-Buch und ein Artikel gegen Hindenburg lieferten schließlich den Vorwand, um den unbequemen Professor loszuwerden. 1933 wurde Lessing von Nationalsozialisten in seinem Marienbader Exil ermordet. Lessings Buch ist das Porträt eines Außenseiters und derjenigen, die ihn dazu machten. Ergänzt wird der Text, neben mehreren Fotos, durch weitere, erstmals wiederveröffentlichte Reportagen und Essays zu Kriminalfällen der 20er Jahre.

Karl Wegmann