Securitate und Stasi

■ Gedächtnisschwund im 'Neuen Deutschland‘

Die Securitate ist tot. Es lebe die Unschuld! Zum Jahreswechsel machte die Bukarester Übergangsregierung den Rumänen ein außergewöhnliches Geschenk: Die berüchtigte Securitate wurde abgeschafft. Was die Mitglieder dieses geheimen Blutordens alles angerichtet haben, wird wohl nie ganz aufgedeckt werden. Die Schreckensmeldungen der letzten Tage, in denen von über 60.000 Menschen die Rede war, die von der Geheimpolizei auf Anordnung Ceausescus ermordet wurden, werfen ein blutiges Licht auf diese Organisation, mit der nun plötzlich niemand nichts zu tun gehabt haben will.

Ein Verbrecher und ein Geheimbund sind nun von der politischen Bühne verschwunden. Diejenigen aber, die sich mit Ceausescu fotografieren ließen, ihm regelmäßig zum Geburtstag gratulierten, seine Brust mit Orden verzierten oder ihm schöne akademische Titel verliehen haben, können nun schwer sagen, es handle sich dabei um dumme Fälschungen. In der Hoffnung, daß gewisse Archive nicht mehr existieren, behaupten nun die DDR-Stasi-Kollegen, sie hätten niemals mit „diesem Organ“ - gemeint ist die Securitate zusammengearbeitet. Schwarz auf weiß steht im 'Neuen Deutschland‘ vom 28.Dezember 1989, daß „weder das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit noch das aufgelöste Amt für nationale Sicherheit jemals Beziehungen zum rumänischen Geheimdienst Securitate unterhalten“ hätten. Zudem erfahren die 'ND'-Leser, daß der sich im Aufbau befindende Nachrichtendienst und der Verfassungsschutz die Verbrechen des rumänischen Geheimdienstes entschieden verurteilen.

Daß die beiden „zukünftigen DDR-Dienste“ an Gedächtnisschwund leiden, mag wohl auf den drastischen Rückgang an qualifiziertem Personal zurückzuführen sein, der nach der Devise „Stasi in die Produktion“ stattgefunden haben soll - oder vielleicht auf den allzugierigen Reißwolf, dem in der Hitze des Gefechts vielleicht auch die Akte Ovideubeldealu aus dem Jahr 1958 zum Opfer gefallen ist. Gott sei Dank waren die rumänischen Kollegen nicht besonders diskret. Stolz berichteten sie am 4.September 1958 im Bukarester 'Neuen Weg‘, daß der „Mörder von Aurel Fekuf im Ostteil Berlins festgenommen“ wurde (Aurel Fekuf war während eines Überfalls bewaffneter rumänischer Exilanten auf die rumänische Botschaft in Bern in der Nacht des 14./15.2.1955 ums Leben gekommen).

Und Gott bewahre die Ostberliner Unschuldslämmer davor, daß der Bruder des hingerichteten Diktators, Marin Ceausescu, vor seinem Freitod in der Wiener Handelsvertretung doch noch vergessen haben könnte, die eine oder andere Akte zu verbrennen. Der Wolf ändert wohl sein Haar, aber er bleibt, wie er war, heißt es in einem rumänisch-deutschen Sprichwörterbuch.

William Totok