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Au ja! Olympia!

Das Spiel wird ernst  ■ K O M M E N T A R

Es war im Juni 1987, und zwar vor dem Brandenburger Tor, da verkündete Ronald Reagan eine Idee: Olympische Spiele in Gesamt-Berlin, und das noch zum Jahrtausendwechsel. Traumtänzer Reagan war bisher vermutlich der einzige Mensch weit und breit, der an das alle Grenzen sprengende Mega -Projekt wirklich glaubte. Das Internationale Olympische Komitee jedenfalls tat die Idee noch im September als weltfremd ab. Selbst Walter Mompers Olympia-Begeisterung mußte keiner ernst nehmen: Sie ließ sich als geschickte PR -Finte deuten, die dem Senat den Ruch des rot-grünen Provinzialismus nehmen sollte. Olympia-Kritiker konnten ruhig schlafen. Sie müssen jetzt schleunigst aufwachen, die Skeptiker, die die Mauer als uneinnehmbare Hürde betrachtet hatten. Wahrscheinlich schon im Herbst wird entschieden, ob im Jahr 2000 in Berlin die Startpistolen knallen. Schlechte Karten also für die Kritiker, die mit politischem Widerstand nun rasch neue Hürden aufbauen müßten.

Sie sollten sich allerdings zunächst fragen, ob die Olympiade als Sparring-Partner überhaupt taugt. Mit einem „Fest des Friedens und der Völkerverständigung“ hat sie zwar kaum etwas zu tun, diese internationale Leistungsschau der Pharma- und TV-Industrie. Trotzdem müßte die Firma Schering nicht der einzige Berliner Nutznießer einer Berliner Olympiade sein. Wenn die Alliierten unter Zugzwang wären, endlich einige Kasernen und den Flughafen Tempelhof zu räumen, dann kann das zuallererst die AL erfreuen. Zusätzliche Sportstätten braucht in West-Berlin zwar keiner, in Ost-Berlin sieht es da aber schon ganz anders aus. Und wenn es wirklich gelingt, unter dem Olympia-Ticket und mit den TV-Milliarden die S-Bahn auszubauen und den Wohnungsbau anzukurbeln, dann kann das eigentlich einzig und allein den Mann ärgern, der der Stadt immer wieder droht, den Geldhahn zuzudrehen: Helmut Kohl in Bonn am Rhein.

Hans-Martin Tillack

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