In Brunsbüttel strahlt wieder das AKW

Nach dreimonatiger Revisionspause ist das AKW wieder am Netz / Auflagen bei Wiederinbetriebnahme / Termin für nächstes Abschalten steht schon fest / Neues Gutachten angekündigt / AKW Brunsbüttel soll unter die Lupe genommen werden wie kein anderes  ■  Aus Kiel Jürgen Oetting

Nach fast dreimonatiger Pause ist das Atomkraftwerk in Brunsbüttel an der Unterelbe wieder am Netz. Am Dienstag abend erteilte das schleswig-holsteinische Energieministerium der Betreibergesellschaft des Reaktors, den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW), die Zustimmung zum Wiederanfahren der Anlage. Der Reaktor war am 9.Oktober 1989 im Rahmen der planmäßigen Revisionsuntersuchungen abgeschaltet worden.

Die ungewöhnliche lange Revisionszeit entstand dadurch, daß im AKW erhebliche Mängel entdeckt worden waren: sieben - zum Teil fast halbmeterlange - tiefe Risse in Schweißnähten des Rohrleitungssystems und Korrosionsschäden an 65 Schrauben der Isolationsventile. Diese Defekte seien in den letzten Dezembertagen behoben worden, ließ Minister Günther Jansen (SPD) mitteilen. Auf Drängen des Ministeriums sei das Leck -Erkennungssystem für Rohrleitungen außerhalb des Sicherheitsbehälters verbessert worden. Außerdem seien insgesamt 160 Meter Rohrleitungen ausgetauscht worden.

Die Wiederinbetriebnahme ist an eine Reihe von Auflagen gebunden, besonders gegenüber den rostempfindlichen Schrauben in den Frischdampfisolationsventilen sind die Kieler Reaktorbeaufsichtiger mißtrauisch geworden. Es sind zwar völlig neu konstruierte Schrauben eingebaut worden, doch ob die dem Rost wiederstehen, soll nach Halbjahresfrist gründlich in Augenschein genommen werden. Zu diesem Zwecke das teilte Jansens persönlicher Referent Andreas Fleck auf Anfrage mit, soll der Reaktor im Mai oder Juni bereits wieder abgeschaltet werden.

Garaus durch neues

Gutachten?

Unabhängig von diesen aktuellen Maßnahmen verfolgt Jansen weiterhin ein grundsätzliches Problem, das ihm den Hebel zur versprochenen Stillegung des alten Siedewasser-Reaktors aus Sicherheitsgründen in die Hand legen könnte. Die jeweils ersten Teilstücke der aus dem Sicherheitsbehälter herausragendenden Frischdampfleitungen sind nie auf ihre Bruchsicherheit untersucht worden, der „Bruchausschluß“ wird lediglich von der Reaktorsicherheitskommission des Bundesumweltministers behauptet. Jansen will nun - das kündigte er zum Anlaß der Brunsbütteler Wiederinbetriebnahme an - Gutachter beauftragen, die die Bonner Behauptungen exakt überprüfen sollen. Gelingt ihnen das nicht, dürfte die letzte Stunde des AKW Brunsbüttel geschlagen haben.

Mit den Namen der Gutachter mochte der Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Kieler Energieministerium, Gustav Sauer, noch nicht herausrücken. Es seien noch keine Verträge abgeschlossen. Im Öko-Institut Freiburg und Darmstadt jedenfalls, das bestätigte Sauer, gibt es keine Werkstoffexperten. Darüber hinaus vereinbarte das Jansen -Ministerium mit der HEW in Brunsbüttel eine sogenannte „probabilistische Sicherheitsanalyse“ - während der Gutachter Wahrscheinlichkeitsannahmen über mögliche Ausfälle von Sicherheitssystemen im AKW untersuchen und auf ihre sicherheitstechnischen Folgen bewerten soll. Damit - so hieß es in Kiel - würde das AKW Brunsbüttel unter die Lupe genommen wie noch kein Atomkraftwerk in der Bundesrepublik.