Streiks bulgarischer Nationalisten

■ Neue Führung soll Rechte für türkische Minderheit widerrufen / Schweden stoppt Ausweisungen

Sofia/Stockholm (afp/taz) - In der südbulgarischen Stadt Kardschali war das öffentliche Leben am Freitag durch einen Streik lahmgelegt, und auch in anderen Gebieten Bulgariens mit einer starken türkischen Minderheit legten die Beschäftigten in zahlreichen Betrieben die Arbeit nieder. Mit dem Streik protestierten die Bulgaren gegen den Beschluß der neuen Führung in Sofia, die unter dem Ex-Staats- und Parteichef Todor Schiwkow betriebene Zwangsassimilierung der türkischstämmigen Bevölkerung aufzuheben. Sie soll künftig wieder ihre islamische Religion ausüben, die alten Namen annehmen und im Alltag türkisch sprechen dürfen.

Wie die bulgarische Nachrichtenagentur 'bta‘ meldete, hatte der Streik in Kardschali am Donnerstag abend begonnen, obwohl der örtliche Vorsitzende des Komitees für die Bürgereinheit den Aufruf zur Arbeitsniederlegung rückgängig gemacht hatte, nachdem er eine Unterredung mit Staats- und Parteichef Petar Mladenow erhalten hatte.

Die KP und die Opposition stellten sich am Freitag in einer gemeinsamer Erklärung hinter die Politik des Minderheitenschutzes. Gleichzeitig hatten sie das Parlament aufgefordert, die in der vergangenen Woche gefaßten Beschlüsse für die türkische Minderheit auf seiner nächsten Sitzung am 15. Januar zu verabschieden. Demgegenüber unterbreiteten mehrere Dutzend Ortsdelegierte aus Kardschali und anderen Orten am Donnerstag dem Parlament in Sofia eine Petition, in der sie einen Auswanderungsvertrag zwischen der Türkei und Bulgarien fordern, damit die Bulgaren mit türkischer Abstammung in das Nachbarland „übersiedeln“ können.

Die Proteste gegen den Beschluß der Führung in Sofia hat die schwedische Regierung unterdessen dazu veranlaßt, am Freitag ihre gerade begonnene Ausweisungspolitik bulgarisch -türkischer Flüchtlinge wieder zu stoppen. Offensichtlich hat bei dem Regierungsbeschluß, den die Direktorin der Einwanderungsbehörde mit den Demonstrationen in Bulgarien begründete, auch eine Intervention des UN -Flüchtlingskommissariats eine Rolle gespielt. In den Weihnachtsfeiertagen hatte Schweden eine erste Gruppe von 50 Flüchtlingen abgeschoben. Eine Abschiebung von weiteren 55 Flüchtlingen war Anfang dieser Woche mißlungen, da sich die Bedrohten in einer Kirche versteckt hatten. Insgesammt halten sich rund 5.000 Flüchtlinge der türkischen Minderheit in Bulgarien in Schweden auf.

bs/rw