Karrieren und Medaillen planen

■ Seit zwei Jahren berät der Psychologe Reinhard Franke Berliner Spitzensportler in Sachen Beruf und Leistungssport / „Therapie“, wenn Beziehungsknatsch die Lust am Training vergällt / Daimler Benz betätigt sich als Ausbildungssponsor / Boxer Sven Ottke und Hochspringerin Andrea Arens zählen zu den Mercedes-Schützlingen

Die Berufsbezeichnung „Karriereberater“ hört Reinhard Franke ungern. In den Unterlagen des 1985 ins Leben gerufenen Olympiastützpunktes Berlin (OSP) wird der studierte Psychologe als Verantwortlicher für „Laufbahnberatung und Umfeldmanagement“ geführt: ein Amt, das es in dieser zentralisierten Form im bundesdeutschen Spitzensport bislang noch nicht gegeben hat.

Jeder der mittlerweile 14 bundesrepublikanischen OSPs, die aus Mitteln des Bundesinnenministeriums finanziert werden, verfügt über einen solchen Berater. Doch die Einsicht, daß die sportliche Top-Leistung auch einer gesicherten beruflichen Existenz bedarf, kam den Funktionären freilich recht spät. Erst ein Jahr nach seiner Einstellung im November 1987 erhielt Franke eine Ganztagsstelle zugewiesen, die vom Landessportbund Berlin (LSB), dem hiesigen OSP -Träger sowie der Deutschen Sporthilfe finanziert wird.

Zuvor arbeitete er mit einem Vertrag über 19 Wochenstunden. „Das war keine glückliche Lösung“, gesteht der aktive Basketballspieler. Schließlich habe er über 100 Athleten aus zwölf Disziplinen zu betreuen. „Meine Aufgabe“, so Franke, „ist es, die sportliche und berufliche Karriere so aufeinander abzustimmen, daß beides möglich ist, daß die sportliche Karriere nicht unter der beruflichen Belastung leidet.“

Hierbei kommt ihm zweifellos sein eigener beruflicher Werdegang zugute: Bevor Franke in die Dienste des Leistungssports trat, arbeitete er in der Studienberatung der Freien Universität. Da die überwiegende Zahl der Berliner OSP-Aktiven Studenten und Oberschüler sind, kann Franke ihnen trefflich bei der Abstimmung von Lernpensum und Trainingsplan helfen - „soll ich mich vor der Weltmeisterschaft beurlauben lassen, oder ziehe ich vorher noch die Prüfungen durch?“ Fragen, die Franke ebenso geläufig sind wie private Anliegen der Sportschar. Mitunter muß der vormals praktizierende Therapeut Aufklärungsarbeit leisten, wenn die Familie eines hoffnungsvollen Talents Vorbehalte gegenüber dem Leistungssport äußert oder falls Beziehungsknatsch die Lust am Training vergällt.

In den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangte Reinhard Frankes Tätigkeit durch die Ankündigung von Daimler Benz, dem OSP acht Ausbildungsplätze für erstklassige Sportler zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile werden auf diese Weise sechs Größen zu Industriekaufleuten ausgebildet - darunter Sven Ottke (Boxen), Andreas Arens (Hochsprung) oder Anja Mischke (Eiskunstlauf).

„Das klingt so, als wäre ich der Verbindungsmann zwischen Wirtschaft und OSP, aber ich habe eigentlich mit den Konzernen gar nichts zu tun“, bekräftigte Franke. Er unterhält sich mit den in Frage kommenden Ausbildungskandidaten ausführlich, um sie dann Daimler Benz vorzuschlagen. Zwar hielten sich andere Berliner Großbetriebe wie Siemens oder Schering völlig aus dem Leistungssport heraus. Doch gehe es letztlich auch nicht um eine bloße „Überproduktion“ von Ausbildungsplätzen, die dann womöglich gar nicht besetzt werden können.

Benötigt würden vielmehr „spitzensportgerechte“, weil flexible Arbeits- und Ausbildungsplätze. Reinhard Franke: „Gerade in der Verbindung Beruf/Sport - da ist bei uns früher zuviel herumgetuschelt worden. Von den über 100 Athleten, die wir hier haben, denken alle konkret daran, was sie nach dem Sport machen. Daher muß man in jedem Einzelfall eine Lösung finden.“ Insofern findet er die Berufsbezeichnung „Karriereplaner“ weitaus wohlklingender.

Jürgen Schulz