Negrophilia

■ Eine Amsterdamer Ausstellung zeigt weiße Bilder über schwarze Menschen

Der Mohr ist überall. Er schmückt Kaffeedosen und Zigarrenkisten, wirbt für Zahnpasta, Schuhcreme und Tinte. Kinder kennen ihn als „Schwarzen Peter“, die Verkörperung des Verlierers, oder als „Knecht Ruprecht“, den furchteinflößenden schwarzen Begleiter des guten weißen Nikolaus. Doch sollen auch seine praktischen Seiten nicht verschwiegen werden. Als Tongefäß läßt er sich bereitwillig mit Tabak vollstopfen; als Flasche bis zum Hals vollaufen. Sogar in der christlichen Gemeinschaft hat er seinen festen Platz. Im Kindesalter war ich fasziniert von den kleinen Negerlein, die ihren Kopf demütig senkten, nachdem sie ein Geldstück zur Unterstützung tapferer Missionare im Urwald in sich aufgenommen hatten. Die kleinen Mohren mit den nickenden Häuptern machen sich mittlerweile rar. Statt dessen betteln auf Plakaten ausgemergelte, in Lumpen gehüllte Schwarze die (weiße) Welt um ein Stück Brot an, und machen auf diese Weise deutlich, wie sehr der arme Neger doch von uns, den reichen Weißen, abhängig ist.

Weiß über Schwarz - Wie Schwarze in der populären westlichen Kultur dargestellt werden ist der Titel einer umfangreichen Ausstellung, die jetzt im Amsterdamer Tropenmuseum eröffnet wurde. Anschließend soll sie in anderen Städten Europas gezeigt werden. Rufus Collins und Felix de Rooy, in den Niederlanden lebende Schwarze, sammeln seit acht Jahren Bilder und Gebrauchsgegenstände, die Schwarze aus der Perspektive weißer Menschen darstellen. Während dieser Zeit haben sie für die Sammlung Negrophilia mehr als 4.000 Exponate zusammengetragen, von denen etwa die Hälfte im Tropenmuseum ausgestellt sind.

Mögen einzelne Stücke dieser Sammlung beim Betrachter noch ein Schmunzeln bewirken, nach dem Besuch wird ihm das Lachen vergangen sein. Selbst das Bild des „niedlichen“ Sarotti -Mohrs verschiebt sich in Richtung eines Schokoladeneier schleppenden Dienstboten.

Drei Grundmuster der Darstellung Schwarzer sind immer wieder anzutreffen:

-Schwarze als unzivilisierte, dumm und/oder gefährliche Wilde, denen die Normen und das Wertesystem der weißen Kultur „beigebracht“ werden müssen.

-Schwarze als willfährige, gutmütige Arbeitskräfte, die ihren weißen Damen und Herren treu zu dienen haben.

-Schwarze als exotisch-erotische Bereicherung von Sport und Showgeschäft.

Um eine bessere Übersichtlichkeit bei der Fülle des Materials zu erreichen, wurde nach verschiedenen Schwerpunktthemen gegliedert: Wissenschaft und Karikatur, Mission und Entdeckungen, Kolonialismus, Unterhaltung, Werbung, sowie die Welt der Kinder. Diese Ausstellungsblöcke sind in sich geschlossene thematische Einheiten, die das Bild über Schwarze aus verschiedenen Blickwinkeln und zu verschiedenen Zeiten der westlichen Kultur deutlich machen.

„Schwarze in der Unterhaltung“, „Schwarze in der Werbung“, „Schwarze als Sexsymbole“ heißen die Titel verschiedener Videoprogramme, die ständig gezeigt werden. Verläßt der Besucher einzelne Pavillons der Ausstellung, wird er an den Außenwänden, die die gesamte Ausstellungsfläche einrahmen, mit den aktuellsten Darstellungen Schwarzer in den Medien konfrontiert. Die Beispiele aus der Werbung zeigen, wie sich die einzelnen Klischees bis heute gehalten haben. Ob ein gutmütig grinsender Onkel Tom der weißen Hausfrau „Uncle Ben's Rice“ empfiehlt, ob Grace Jones als exotischer Vamp viertürige Limousinen in ihren Schlund fahren läßt oder ob eine dunkle Schönheit auftritt, spärlich bekleidet mit einem Bananenkostüm a la Josephine Baker, um Chiquitas an den Mann zu bringen, der rassistische Hintergrund solcher Stereotypen ist nicht zu übersehen.

Wer als Besucher die Ausstellung ergänzen möchte, hat dazu Gelegenheit: Mehrere leere Vitrinen stehen am Ende des Rundgangs, reserviert für weitere Zeugnisse überheblich -rassistischen Denkens der Weißen. Es ist zu befürchten, daß sie nicht lange leer bleiben werden.

Andreas Engelen

Die Ausstellung ist bis einschl. 26.August 1990 zu sehen. Werktags von 10 bis 17, Samstag/Sonntag und an Feiertagen von 12 bis 17 Uhr. Geschlossen am 30.April und am 5.Mai. Die Texttafeln zur Ausstellung sind niederländisch und englisch beschriftet. Tropenmuseum, Linnaeusstraat 2, Amsterdam