„Ist am Dreikönigstag kein Winter, folgt keiner mehr dahinter“

■ Professor Horst Malberg (54) vom Meteorologischen Institut zur Frage, ob es in den nächsten Wochen noch einen richtigen Winter gibt

Professor Malberg ist am Meteorolgischen Institut der FU tätig. Er vergleicht dort seit mehreren Jahren die alten Bauernregeln mit den modernen Wetterstatistiken und kam so zum dem Ergebnis, daß die Prognosen der Bauernregeln vielfach eine hohe Eintreffwahrscheinlichkeit haben. Für den Winter 1989/90 hatte Malberg in einem taz-Interview am 24.Oktober 1989 vorausgesagt, daß dieser mit Ausnahme des Januar warm ausfallen werde.

taz: Professor Malberg, was für eine Erklärung haben Sie dafür, daß Ihre Vorhersage, „warmer Oktober bringt fürwahr stets einen kalten Januar“ bislang nicht eingetroffen ist?

Horst Malberg: Es gab zwei Regeln. Die erste Regel lautete: „Ist der September lind, wird der Winter ein Kind, also mild.“ Die zweite Regel war: „Warmem Oktober folgt fürwahr, stets ein kalter Januar.“ Die beiden Regel haben sich im letzten Jahr widersprochen. Wir hatten einen um fast zwei Grad Durchschnittstemperatur zu milden September und einen ebenso zu milden Oktober. Wir haben festgestellt, daß seit 100 Jahren elfmal eine derartige Situation aufgetreten ist, und daß in allen elf Fällen der Winter insgesamt zu mild wurde. Das bedeutet nicht, daß es nicht einzelne kältere Phasen dazwischen gegeben hat, die häufig im Januar lagen. Insofern muß ich sagen, ist die Septemberregel die stärkere, und meine damals gemachte Aussage, daß der September einen milden Winter zur Folge hat, bleibt nach wie vor bestehen. Auch die Aussage, daß im Januar unter Umständen kältere Perioden auftreten können.

Anfang Januar war es kalt, zur Zeit ist es warm. Glauben Sie, daß die Temperaturen noch einmal richtig in den Keller gehen werden?

Um das beantworten zu können, muß ich die aktuellen Karten der Großrechner hinzuziehen, mit denen die Wetterentwicklung für etwa acht bis zehn Tage im vorraus abgeschätzt werden kann. Danach ist in diesem Zeitraum eindeutig die Tendenz auf mild gestellt, so daß wir davon ausgehen können, daß der Januar sicherlich insgesamt nicht zu kalt werden wird.

Können wir überhaupt noch mit Schnee rechnen? Was ist Ihre Prognose für den Februar?

Gehen wir wieder von der kombinierten September/Oktober Bauernregel aus und nehmen noch eine neue hinzu: „Ist bis Dreikönigstag (6. Januar, d. Red.) kein Winter, so folgt auch keiner mehr dahinter.“ Wir haben unsere Untersuchungsreihe so geführt, daß der Gesamtzeitraum vom 1. Dezember bis zum 6. Januar untersucht wurde. Wenn dieser Zeitraum insgesamt zu warm war, dann folgte in 80 Prozent aller Fälle - also in vier von fünf Jahren - auch tatsächlich kein strenger Winter mehr dahinter. Da die vergangenen sechs Wochen insgesamt zu warm ausgefallen sind, gehen wir davon aus, daß der Winter mit hoher Wahrscheinlichkeit zu mild bleibt. Einzelne Kälterückfälle sind nicht ausgeschlossen. Ich gehe ganz fest davon aus, daß wir noch mehr Schnee bekommen werden, der aber nicht lange liegen bleiben wird.

Dann kann man den Winter also abhaken?

Mehr oder minder, ja.

Wie geht es bei Ihnen im Meteorologischen Institut jetzt weiter? Untersuchen Sie jetzt schon, wie das Frühjahr und der Sommer wird?

Dafür ist es noch etwas zu früh, weil die ersten Bauerregeln erst im Laufe der nächsten Monate wieder greifen. Die erste Regel gilt für Ende Februar: „Je nasser ist der Februar, desto nasser wird das ganze Jahr.“ Diese Regel hat auch eine Eintreffgenauigkeit in zwei von drei Jahren. Nach dem Februar kommt dann die Regel für März: „Hält St. Ruprecht den Himmel rein, so wird das auch im Juli sein.“ Die Regel deutet auf Sonnenschein hin, sie hat im letzten Jahr übrigens gut gestimmt. Die entscheidende Regel, die etwas über den Hochsommer aussagt, ist aber die Siebenschläferregel. Sie lautet: „Regnet es am Siebenschläfertag, es noch sieben Wochen regnen mag.“

Wann ist der Siebenschläfer?

Dem Kalender nach ist es der 27. Juni. Aber man darf nicht vergessen, daß Papst Gregor 1582 eine Kalenderreform durchgeführt hat. Danach haben sich alle Tage, auch die Lostage der Bauern um zehn Tage nach hinten verschoben. Lostage deshalb, weil sich an ihnen das Schicksal der weiteren Wetterentwicklung entscheidet. Bei der Siebenschläferregel ist die Periode, die eigentlich Aufschluß gibt über den weiteren Verlauf des Hochsommers zehn Tage später, nämlich zwischen den 5. Und 10. Juli.

Wie lange machen Sie die Untersuchung schon, und was für Meßdaten sind die Grundlage dafür?

Ich selbst arbeite seit etwa vier bis fünf Jahren daran. Wir haben mit den Bauernregeln in erster Linie die Dahlemer Klimameßreihe verglichen, die seit 80 Jahren am selben Standort erfolgt. Weil manche Ereignisse in 80 Jahren aber nur drei- oder viermal auftreten und man damit keine vernüftige Aussage machen kann, haben wir noch die alte Temperturmeßreihe hinzugezogen. Es handelt sich dabei um die alte Berliner Meßreihe, die 1720 mit dem Temperaturmeßungen und 1730 mit den Niederschlagsmeßungen begann. Die Messungen dieser alten Reihe - wir nennen sie Innenstadt - erfolgte leider an verschiedenen Orten, und wir wissen heute nicht mehr, wo diese Orte sind. Daß zu wissen ist aber ungemein wichtig, weil es in der Stadt und den Außenbezirken große Temperaturunterschiede gibt. Aus diesem Grund können wir die alte Reihe nicht nahtlos an die Dahlemer Reihe anschließen. Trotzdem haben wir der Untersuchung - sehr vorsichtig einen Teil der alten Reihe zugrunde gelegt, die von 1775 bis 1938 ging, also 160 Jahre an einem Stück. Bei bestimmten Ereignissen, die sehr selten auftreten - wie zum Beispiel deutlich zu warmer Oktober - haben wir dann geguckt, wie es damals war.

Interview: Plutonia Plarre