Umweltschützerin erregt Kenias Politiker

Die Vorsitzende der Greenbelt-Bewegung will den Bau eines Hochhauses in Nairobis grüner Lunge verhindern / „Entwicklung, die Zerstörung bedeutet“ / Wüste Hetze der männlichen Abgeordneten gegen die engagierte Frau  ■  Von Christa Wichterich

An einer engagierten Kenianerin scheiden sich derzeit in Nairobi die Geister: Wangari Maathai wird von den Abgeordneten beschimpft, Präsident Daniel arap Moi forderte gar alle Mitbürgerinnen des Landes auf, Maathai endlich zu „disziplinieren“. Aber die Professorin und Initiatorin der kenianischen Aufforstungsbewegung „Greenbelt Mouvement“ denkt nicht daran, ihren Kampf gegen den Stein des Anstoßes aufzugeben: Ein sechzig Stockwerke hoher, steinerner Prestigebau soll mitten in Nairobis grüner Lunge, dem Uhuru -Park, hochgezogen werden.

Noch bevor die Finanzierung gesichert ist und die Bauarbeiten begonnen haben, ist der Turmbau zum Prüfstein dafür geworden, was in Kenia Entwicklung bedeutet und was Demokratie. Denn was der Bauherr, der 'Kenya Times' -Medienkonzern, als „größtes und modernstes Bauwerk in Schwarzafrika“ und als „architektonische Bereicherung für die Skyline“ der kenianischen Hauptstadt feiert, bezeichnet Professorin Wangari Maathai als „katastrophalen Verlust für den Uhuru Park“ und als „Entwicklung, die Zerstörung bedeutet“.

An jedem Sonn- und Feiertag ist der „Freiheitspark“ ein Tummel- und Picknickplatz für Familien mit Kindern, für Freizeitprediger und Akrobaten. Der Erholungs- und der ökologische Wert dieser Grünfläche hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen: Während sich der Kern der 1,5 -Millionen-Stadt in eine Betonwüste und der Verkehr in ein täglich wiederholendes Chaos verwandelte, fehlt es an Geld für den Ausbau öffentlicher Dienste und sozialer Einrichtungen.

Seit zwei Monaten erklärt ein Bauzaun jedoch eine große Ecke des Parks zum Sperrgebiet für Ausflügler und Spaziergänger. Ihre politische Brisanz hatte die Kontroverse um das geplante Hochhaus von Anfang an dadurch, daß die 'Kenia Times‘, eine der drei großen englischsprachigen Tageszeitungen im Lande, Eigentum der Einheitspartei KANU und des britischen Media-Magnaten Robert Maxwell ist. Der Wolkenkratzer - 35 Etagen höher als die bisher höchsten Gebäude Nairobis - soll nicht nur Konferenzräume für 5.000 Menschen beherbergen, sondern vor allem den geplanten 'Kenya Times'-Media-Trust, der neben der Tageszeitung zukünftig ein Rund-um-die-Uhr-Fernsehprogramm betreiben will.

Alternativer Nobelpreis

Daß Wangari Maathai, die international vielfach, unter anderem mit dem „alternativen Nobelpreis“ ausgezeichnete Umweltschützerin, im Alleingang versucht hat, der Einheitspartei in ihrem baulichen Größenwahn Einhalt zu gebieten, ist ein Präzedenzfall in der Geschichte des unabhängigen Kenia und ein seltenes Beispiel von Zivilcourage. Die briefliche Protestaktion der früheren Hochschullehrerin verwandelte das Parlament, auf dessen Bänken 171 Männer und zwei Frauen sitzen, denn auch umgehend in ein Tollhaus. Die Herren Parlamentarier geiferten um die Wette, Wangari Maathai sei schon allein deswegen „ignorant“, weil sie eine geschiedene Frau sei. Unbeeindruckt von der politischen Schlammschlacht ging Maathai vor Gericht, um eine einstweilige Verfügung gegen das 400-Millionen-Mark -Projekt zu erwirken. Das Gericht schmetterte ihren Antrag als unbegründet ab, ohne die eloquente Kritikerin anzuhören. Die meisten BürgerInnen Nairobis teilen die Argumente Maathais - und schweigen.

Nun bleibt nur noch die Hoffnung auf die Zurückhaltung der internationalen Geldgeber, denn der beantragte Kredit von 300 Millionen Mark, für die das Einparteienparlament die Bürgschaft übernommen hat, würde die kommerzielle Neuverschuldung des Landes rapide beschleunigen.

Für Wangari Maathai ist die Geschichte damit nicht zu Ende. Nicht umsonst hat Präsident Moi höchstpersönlich gesagt: „Unsere afrikanische Tradition legt fest, daß die Mütter die Männer respektieren. Diese Frau hat die Grenze überschritten.“ Parlamentarier schlugen vor, die Greenbelt -Bewegung zu verbieten, Gruppen der parteieigenen Frauenorganisation protestieren gegen die aufmüpfige Professorin und fordern ihren Parteiausschluß, und drei Tage nach dem Gerichtsurteil wurde die Umweltorganisation aus den staatseigenen Gebäuden geworfen, in denen sie seit zehn Jahren ihre Büros hatte: Maathai und ihre 30 MitarbeiterInnen stehen auf der Straße. „Sie wollen die Technologie des 21. Jahrhunderts und die Frauen von vor 500 Jahren“, kommentiert Maathai den Spießrutenlauf und überlegt, wie sie weiterkämpfen kann: „Mir geht's ums Prinzip. Niemand soll später sagen können, wir hätten nicht protestiert: Das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig.“