Auf zum Zapfenstreich!

■ Bundesverwaltungsgericht: Bundeswehr durfte Demonstranten 1985 nicht an Teilnahme hindern, aber militärischen Sicherheitsbereich erklären

Berlin (dpa) - Die Bundeswehr durfte friedliche Demonstranten nicht daran hindern, an der Veranstaltung des „Großen Zapfenstreiches“ 1985 auf dem Rathausmarktplatz in Lübeck teilzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hob am Freitag in Berlin in einem Grundsatzurteil den diesbezüglichen Teil einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom Juni 1988 unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit auf (Az.: 7 C 88.88).

Die nur mit Transparenten und Flugblättern ausgestatteten Demonstranten der Friedensbewegung hätten am 13.November 1985 „keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit auf dem Rathausmarktplatz in Lübeck dargestellt“, betonte der Vorsitzende des 7.Senats Horst Sendler in der Urteilsbegründung. Vielmehr habe die Bundeswehr damit rechnen müssen, daß es angesichts der „Umstrittenheit derartiger Traditionsveranstaltungen“ zu Protesten komme. Einen Anspruch auf „uneingeschränkten Schutz eines Ehrenvorstellungen entsprechenden Ablaufs der Veranstaltung“ habe die Bundeswehr außerhalb des Kasernengeländes nicht, sagte Sendler, der auch Präsident des Bundesverwaltungsgerichts ist.

Nach dem Urteil des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts hatte die Bundeswehr zum Schutz vor Gewalttätern aber das Recht, den Rathausplatz zum „militärischen Sicherheitsbereich“ zu erklären. Auf diese Weise habe die Bundeswehr die Zuschauer beim Einlaß kontrollieren dürfen und so potentielle Gewalttäter abweisen können. Dies habe aber nicht für die friedlichen Demonstranten gegolten. Das Gesetz rechtfertige die Anordnung „militärischer Sicherheitsbereiche“ nicht nur zur Erfüllung von Aufgaben, die unmittelbar der Verteidigung dienten. Auch „in ihrer Öffentlichkeitsarbeit“ dürften sich die Streitkräfte schützen, meinte der Präsident. Die Bundeswehr sah damals ihre Schutzmaßnahmen dadurch gerechtfertigt, daß einen Tag zuvor in Neumünster beim „Großen Zapfenstreich“ Demonstranten Steine geworfen hätten.