Schwule Gruppe klagt sich in Stadtjugendring

■ Heidelberger Landgericht wollte Ablehnung nicht anerkennen

Heidelberg (taz) - Die Heidelberger „Schwule Jugendgruppe“ hat sich vor Gericht die Mitgliedschaft im örtlichen Stadtjugendring (SJR) erstritten. Gestern früh verurteilte das Heidelberger Landgericht den Jugendring dazu, die Homosexuellengruppe in seine Reihen aufzunehmen. Die Richter mochten keinen sachlichen Grund erkennen, der die Ablehnung der Gruppe rechtfertigen könnte.

Zur Vorgeschichte: Ende 1988 hatte die bereits mehrere Jahre bestehende „Schwule Jugendgruppe“ die Aufnahme in den Dachverband der Jugendvereine beantragt - und war damit auf eine Wand von Vorurteilen gestoßen. Zwar, so hieß es in einem Mitgliederrundbrief des SJR, bleibe dem Vorstand „nichts anderes übrig, als diesen Antrag zuzulassen, da nach unserer Satzung die formalen Voraussetzungen gegeben sind“, der SJR-Vorsitzende fügte dem Antrag aber ein Papier bei, das vor Schwulendiskriminierung nur so strotzte: Homosexualität sei „zentraler Bestandteil einer pathogenen Persönlichkeitsentwicklung“ hieß es da, der Homosexuelle sei „in der Regel“ sexuell bindungslos und befriedige seine Triebe „bei ausgeprägtem Narzißmus und auch Aggressivität“.

Trotz heftiger Proteste, etwa der Vertreterin der jüdischen Gemeinde, die sich an die Ausgrenzungen der Nazizeit erinnert fühlte und mit dem Austritt aus dem Jugendring drohte, verfehlte die Schwulengruppe in der Mitgliederversammlung des SJR die zur Aufnahme notwendige Zweidrittelmehrheit deutlich. Das Heidelberger Landgericht stellte jetzt fest, daß die Nichtaufnahme der Gruppe eine „unbillige Benachteiligung“ sei. Der SJR habe „keine beachtlichen Interessen“ vorbringen können, die die Ablehnung hätten rechtfertigen können. Der Eingriff in die Vereinsautonomie müsse hingenommen werden, da der Stadtjugendring über die Vergabe öffentlicher Gelder und Räumlichkeiten im Bereich der Jugendpflege eine überragende Machtstellung innehabe, die es ihm verbiete, willkürlich Gruppen von der Teilhabe auszuschließen.

Rolf Gramm