DAS ELYSIUM DES ZAPPELPHILIPP

■ Albrecht Hillemann und Reinhard Zabka installieren in der Ostberliner Galerie am Prater

Während fast die gesamte Szene des anderen Deutschlands an die Ufer der Seine jettet und den Franzosen nach 200jähriger Abstinenz unverkatertes Revolutionsfluidum vorzaubern soll, sitzt in Berlins Cafehäusern und Glasbiergeschäften der einsame Rest und schickt seine differierenden Wünsche in den grauen Flughimmel.

Von Gott und Frankreich vergessen, basteln unterdessen Reinhard Zabka und Albrecht Hillemann im Prenzlauer Berg an den Objekten ihrer Gemeinschaftsausstellung. Die zwei Autodidakten aus dem Thüringschen sind wohl das eigenwilligste Künstlerduo, das sich in den Weiten und Vielfalten der Postbitterfelder Kulturlandschaft etablieren konnte.

Irgendwo zwischen Merzbausplittern, Lyotards Zauberkasten und rührigen Volkskunstdramen stricken Zabka und Hillemann aus den Fäden deutschen Sperr- und Kulturmülls filigrane Reliquien einer Historie, fern aller je in den Palästen diskutierten Kaviarhäppchen.

Zabka fiel schon im Sommer 1989 aus dem Rahmen. Eingeladen zum ersten offiziellen DDR-Performance- Festival, kochte er nur Tee, wo am Tag zuvor noch der Szeneschweiß auf schwarzes Leder tropfte. Seine gemütliche Kräuterküche im „Weißen Elefanten“, dem Austragungsort dieser „Permanenten Kunstkonferenz“, war das wohltuende Loch innerhalb der langen Kette spektakulärer Auftritte und blutiger Inszenierungen. Während die ins Rampenlicht gezogenen Kunstgrenzgänger um die Gunst des Publikums kämpften und das nun wieder um die Aufmerksamkeit der aufgefahrenen Videokameras buhlte, zielte Zabka eher auf eine sanfte Bekehrung als auf die schnöde Provokation.

Zusammen mit seinem Freund Hillemann residiert er in den Sommermonaten in Babe, einem verlassenen Nest in der Prignitz. Dort, wo schon Lilienthal Flugversuche gestartet haben soll, trocknen die beiden nicht nur Kuhfladen zu Kunst, verfassen irrwitzige Pamphlete und schwatzen mit den Eingeborenen, sondern konzipieren auch ihre opulenten Projekte.

Hillemann (Jahrgang 1939) wirkt eher wie ein Reichsbahn -Oberamtmann auf einem stillgelegten Provinzbahnhof, während Zabka seine 68er-Prägung kaum verbergen kann. Beide eint der Wille, dem Publikum die Objekte nicht allein als stumme Zeugen individueller Realitätsbewältigung vor die Füße zu rollen. Nicht Ratlosigkeit streben sie an, vielmehr geht es ihnen darum, dem Gros der Vorbeischauenden einen Freiraum zu öffnen, in dem nicht nur die Seele baumeln kann.

Bäuerliche Feste wollen sie gegen die Eitelkeiten landläufiger Kunstpräsentation setzen. Und sie kennen den Geschmack ihrer Klienten. Bonsai-, Geflügel- und Rassekatzenausstellungen fordert das Volk! Zabka und Hillemann bieten alles und setzen noch die Götterdämmerung darauf.

Ihre Räume spekulieren nicht auf das Deja-vu-Erlebnis einer belesenen Kennergemeinde, eher schon auf die Neugier der Wurststandkunden von nebenan. Die sollen einsteigen in die Irrfahrtdampfer auf den Reisen über alle Felder, durch alle Zeiten kultureller Sozialisation.

Auch sie, die Künstler, graben auf den Müllkippen des Landes, doch setzen Zabka und Hillemann nicht auf die Aura einer unverfälschten Patina. Ihr Sammeln ist eher pragmatisch. Sie säubern, bereiten auf und konstruieren neu. Doch nicht mit Willkür - jedes Objekt hat seine Lügen und Geschichten, trifft sich mit dem Gegenüber in der absurden Thematik des Ganzen. Freilich, auch das hat seinen Sinn, suchen muß man ihn selbst, Waschzettel liegen aus. Am Prater nun das Elysium oder, um den vollständigen Titel nicht ungenannt zu lassen „Die Schule des Luftikus? Die Zeitreise des Buratino - Das Elysium des Zappelphilipp!“ Noch basteln die Installateure hinter verschlossenen Türen und füllen die Räume mit abenteuerlichen Merkwürdigkeiten. „Die blaue Grotte“ ein tönendes Fernwehmonstrum, „Die desolate Teeküche“ und das „Tischlein deck dich“, schließlich „Psychedelia Maschinka“ und über allem ein Hauch von Zirkuszelt und Rummelplatz.

Mit Feuerschlucker und Volksmusik öffnen sich heute abend um 18 Uhr die Tore. Doch auch nach diesem Einweihungsspektakel bleiben Zabka und Hillemann präsent. Nicht „Repräsentatio der Eitelkeit“, sondern Stätte der Begegnung und Werkstatt will ihnen diese Ausstellung sein.

Wer lieber nur Currywurst mag, sollte trotzdem kommen und seinen Kindern über die Schwelle helfen. Die wurden von Zabka und Hillemann noch nie enttäuscht und haben Zeit genug, sich nebenan zu bekleckern.

Andre Meier

„Die Schule des Luftikus...“ bis 17.2. nach Möglichkeit täglich geöffnet 13 bis 22 Uhr, Galerie am Prater, Kastanienallee 100, Berlin 1058 (U-Bahnhof Dimitroffstraße).