Müllexport in die DDR soll umgeleitet werden

Nach den verheerenden Folgen der Giftmüllexporte in die DDR-Deponie Schönberg will der Frankfurter Chemiekonzern Hoechst AG seinen Dreck nun in Nordrhein-Westfalen loswerden / NRW-Auflagen sind lascher als die hessischen / Genehmigungsbehörde wird unter Druck gesetzt  ■  Von Bettina Markmeyer

Essen (taz) - Nicht mehr über die Grenzen in die DDR, sondern über die der Bundesländer wird demnächst der Giftmüll verschoben. Die Frankfurter Hoechst AG sucht Wege, ihren Chemiedreck in einer Deponie bei Köln loszuwerden. In Nordrhein-Westfalen, dem Mekka der Müllentsorger, sind die Auflagen weniger streng als im ehemals rot-grün regierten Hessen.

Bereits am 16.November stellte das Hoechst-Werk in Hürth -Knapsack bei Köln beim Landesoberbergamt den Antrag, in Zukunft bis zu 150.000 Tonnen Giftmüll, verseuchten Boden und Bauschutt zusätzlich in einem ehemaligen Braunkohlentagebau abladen zu dürfen. In dem Tagebau „Vereinigte Ville“ betreibt Hoechst für seine Werke in Hürth eine eigene Kippe. Die zusätzliche Fracht soll per LKW aus den Hoechst-Fabriken in Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden und Griesheim kommen. Den größten Anteil werden chemisch verunreinigte Erdmassen und dioxinhaltige Schlacken aus den Giftmüllverbrennungsanlagen der hessischen Hoechst-Werke ausmachen. Hinzu kommen Filterstäube und Asche aus Feuerungs - und Müllverbrennungsanlagen (MVAs) sowie krebserregende Asbestabfälle.

In Hessen dürfen solche Giftabfälle seit Jahren nur noch auf entsprechenden Sondermülldeponien untergebracht werden. Theoretisch. Praktisch stehen derartige Deponien wegen politischen Widerstands und andauernder Rechtsstreitigkeiten (wie beispielsweise um die als Sondermülldeponie geplante Tongrube in Mainhausen) aber nicht zur Verfügung. Auch die Genehmigungsverfahren für die Erweiterung zweier Giftmüllverbrennungsanlagen in Biebesheim und bei Hoechst in Frankfurt sowie für einen zusätzlichen Schacht im nordhessischen Salzbergwerk Herfa-Neurode dehnen sich ins Unendliche. Also exportierte Hoechst einen erheblichen Teil seiner toxischen Produktionsüberreste in die DDR nach Schönberg.

Die Folgen des westdeutschen Gifts für die ostdeutsche Umwelt werden gerade aufgedeckt: verseuchtes Grundwasser, unkontrollierte Gase, giftige Böden sind die Folge. Nach der am Montag in Ost-Berlin vorgestellten Greenpeace -Dokumentation über Schönberg lieferte Hoechst 1988 gut 56.000 Tonnen Sondermüll an die DDR-Deponie und ist damit fast der alleinige Verursacher der hessischer Giftmüllexporte in die DDR.

Die Zeichen der Zeit scharf analysierend, erklärte ein Sprecher des Konzerns am Dienstag, mittelfristig wolle man die Lieferungen nach Schönberg einschränken. Dann ist Hoechst in Not. Ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und schnell soll jetzt in einem einfachen Genehmigungsverfahren die 1982 genehmigte Werkskippe „Vereinigte Ville“ zu einer Sondermülldeponie umfunktioniert werden, wobei „deren Umweltschutzstandard“, so der umweltpolitische Sprecher der NRW-Grünen, Harry Kunz, „eher negativer als derjenige der DDR-Deponie Schönberg zu beurteilen ist“. Unverhohlen setzt Hoechst außerdem die Genehmigungsbehörde, die dem NRW -Wirtschaftsministerium untersteht, mit dem Totschlag -Argument Arbeitsplätze unter Druck.

Die Genehmigung zur Giftmüllentsorgung in Hürth sei „ein Beitrag zur Stabilisierung des Standortes Werk Knapsack im Konzernverbund“. Wenn nämlich das Hoechst-Werk in Knapsack den Giftmüll der hessischen Hoechst-Niederlassungen entsorge, dürfe es dafür mit der Zuweisung neuer Produktionszweige durch das Frankfurter Stammwerk rechnen, auf die es „lebensnotwendig“ angewiesen sei, „um seinen Bestand an Mitarbeitern soweit wie möglich zu erhalten“.

NRW-Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) fordert zwar im „Rahmenkonzept zur Planung von Sonderabfallentsorgungsanlagen“ von 1987, daß giftige Schlacken und Stäube nur auf besonders gesicherten Deponien abgelagert werden dürfen. Doch ist dies, im Unterschied zu Hessen, nur eine Empfehlung. Hinzu kommt, daß im Fall von Hoechst nicht die Umweltbehörden, sondern das Landesoberbergamt die zuständige Genehmigungsbehörde ist, weil die Hoechst-Kippe in einem ehemaligen Tagebau liegt. Die in Sachen Giftmüll völlig überforderte Dortmunder Behörde leitete ohne Zögern das Genehmigungsverfahren ein und wartet jetzt auf die Stellungnahme des Kölner Regierungspräsidenten.

Die Grünen in NRW fordern unterdessen von Umweltminister Matthiesen, Giftmüllimporte zu untersagen und die Entsorgungsstandards den strengeren Auflagen anderer Bundesländer anzupassen. Um den giftigen Müllexport nach Schönberg zu beenden, müßten zwar heimische Abfallbeseitigungskapazitäten geschaffen werden, diese hätten aber „dem neuesten Stand der Umwelttechnik“ zu entsprechen. Gegenüber der Hoechst-AG wiederholten die Grünen ihr bereits mehrfach abgelehntes Angebot, an einer „zukunftsweisenden Deponiekonzeption“ mitzuarbeiten: allerdings nur für den Hoechst-Abfall aus Hürth, nicht für den aus Hessen.