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„Diese Hella bereitet uns nur Ärger“

Der Prozeß gegen Hella Schlumberger belastet die Beziehungen zur Türkei  ■  Aus Istanbul Ömer Erzeren

Morgen, Dienstag, ist vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir ein weiterer Prozeßtag gegen die Soziologin Hella Schlumberger angesetzt. Sie ist angeklagt, „Propaganda zur Zerstörung oder Schwächung der Nationalgefühle“ betrieben zu haben. Die Anklage, die fünf Jahre Gefängnis gefordert hat, stützt sich den Eintrag in ein Gästebuch: „Es lebe eine freie Türkei mit einem gleichberechtigten Kurdistan.“

Die Polizei hatte das Gästebuch beschlagnahmt und aufgrund des Wortes „Kurdistan“ Schlumberger verhaftet. Seit dem 10.Januar sitzt sie in Untersuchungshaft. Mit der Begründung, „die Angeklagte ist den türkischen Sitten und Gebräuchen fremd“, plädierte der Staatsanwalt im Prozeßtermin am Mittwoch vergangener Woche für eine Beendigung der U-Haft. Doch das Gericht lehnte ihre Freilassung ab.

Die Festnahme und der Prozeß gegen Schlumberger hatten zu diplomatischen Verwicklungen zwischen der BRD und der Türkei geführt. Unter anderem hatte Bundesaußenminister Genscher in einem Gespräch mit dem türkischen Staatsminister Ali Bozer eine Freilassung Schlumbergers gefordert. „Die deutsche Frau Hella bereitet uns nur Ärger“, titelte die Tageszeitung 'Hürriyet‘ eine Meldung.

In Kreisen der deutschen Botschaft in Ankara ist man über die Publicity, die der Fall in der Türkei und der BRD auslöste, eher verärgert. Man geht davon aus, daß ohne die Berichterstattung in der Presse Frau Schlumberger längst auf freiem Fuß wäre. Die Geschwindigkeit, mit der das Gericht den Prozeß zu Ende bringen will, spricht eher dagegen. Binnen eines Tages wurde die Anklageerhebung verfaßt. Heseyin Tayfun von der Anwaltskammer Diyarbakirs spricht von zweierlei Maß. „Während unsere Bürger Monate ohne Anklageerhebung in Untersuchungshaft verbringen, wird eine Deutsche binnen ein, zwei Tagen vor den Richter geführt.“

Ömer Erzeren

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