Wir sind die Linke

■ Bremer lauschten gebannt den Genossen aus der DDR / Linke drüben genauso zersplittert wie hier

Viele Treffpunkte der Bremer Linken sind inzwischen dicht. Vom DFU-Büro bis zur Heinrich-Vogeler-Buchhandlung alles aus, vorbei und ist nicht mehr. Wenn dann zu einer Veranstaltung eingeladen wird, wo man sich mal wieder treffen kann, strömen die Linken zu Hauf zum Veranstaltungsort. So geschehen am Freitagabend im Jugendfreizeitheim Findorff.

Geladen hatte unter anderen der Kommunistische Bund und über 150 Leute kamen, ohne richtig zu wissen, was überhaupt angesagt ist:„Ich weiß nicht genau, ich glaube irgendwelche Linken aus der DDR sollen kommen. Vielleicht SED oder so“, antwortete ein freundlicher Besucher auf Anfrage. Ein Blick auf das Einladungsflugblatt gibt genauere Informationen: „Während der Demokratische Aufbruch, die SDP, selbst das grünliche Neue Forum hofiert werden, bleiben die Entwicklungen und Anschauungen der DDR-Linken weitgehend unbekannt.“ Und links, das ist für den KB die Vereinigte Linke, die SED und der FDJ.

Auch am Grabbeltisch des Bücherstandes alt- und uralt Linkes: Zum Beispiel Enver Hodschas Wälzer „Gedanken zu China“, der sich, ganz im Gegensatz zu den Stalin-Büchern, ziemlich schlecht verkauft. Nachdem Mann und Frau sich ausgiebig begrüßt hatten - „Na, wie gehts„-, strömten alle in den Saal, in dem sonst Jugendliche unter der Lichtorgel herumhotten.

Und dann wurde auch das Geheimnis gelüftet: Gekommen waren nachnamentlich nicht näher vorgestellte Herbert und Sonja von der Vereinigten Linken der DDR, um den Bremer Linken zu erklären, wer in der politischen Parteienlandschaft drüben die Guten und wer die Bösen sind. Die von der SED sind jedenfalls nicht die Schlimmsten, erklärte Sonja, die sowohl Mitglied der Vereinigten Linken, als auch der SED ist, denn da „gibt es innerhalb der Partei ja schon vier Plattformen die kommunistische, die sozialistische, den dritten Weg und die demokratischen Sozialisten - und das alleine zeigt das in der SED ein Umdenkpro

zeß im Gange ist.“ Herbert kommt ein bißchen ins Schleudern, als er erzählen soll, welche Gruppierungen es in der Vereinigten Linken alles gibt: „Eigentlich ist die Vereinigte Linke bisher eine Initiative für eine Vereinigte Linke, denn sie hat sich noch nicht konstituiert.

Es gibt viele linke Gruppen in der DDR: Trotzkisten, Leninisten, Marxisten, die Nelken und auch eine Gruppe die sich im wesentlichen für die Festsetzung des Bierpreises einsetzt. Dann gibt es auch noch die Frauengruppen lila Offensive, Rote Rosa und die Grüne Liga gibt es, glaub ich, auch noch.“ Da staunen die Bremer Linken und die DDR-ler ärgern sich:„Was allen Oppositionsgruppen, ob SPD, Demokratischen Aufbruch und auch den Vereinigten Linken fehlt, sind richtige Konzepte.“

Eine wichtige Frage war für viele, wie es denn um die Rechtsradikalen in der DDR bestellt ist. Und da wußten die beiden dann Erschreckendes zu berichten:“ Es gibt sehr starke Rechtsströmungen in der DDR, die nicht

verniedlicht werden dürfen, wie es die Oppositionsparteien tuen.“ Und Herbert berichtet von Kommunistenjagden: „In Ostberlin gab es kürzlich ein Fußballturnier mit, bei dem Westberliner und Ostberliner Skins zur Jagd aufgerufen hatten. Für mich ist das ein Verbrechen, wenn die Opposition diese Tendenzen herunterspielt.“

Die Vereinigten Linken haben am meisten Angst vor einem Ausverkauf der DDR und deswegen liegen viele ihrer Hauptforderungen im wirtschaftlichen Bereich. Sonja dazu: „Was wir in den Betrieben brauchen sind Betriebsräte, die bei der Produktion mitbestimmen.“ Und Herbert fügt hinzu: „Für eine Volkssouveränität brauchen wir Betriebsräte, Soldatenräte, Schülerräte usw., die es ja in vielen Bereichen und Orten bereits gibt. Das Ziel der Vereinigten Linken ist, im November einen Volkskongreß zu organisieren in dem all diese Strömungen organisiert werden sollen. Wenn die DDR-Linke diesen Ball nicht aufgreift hat sie total versagt.“

David Safier