Krise um Kaschmir

■ 45 Tote bei anti-indischen Demonstrationen in Jammu Kaschmir / Pakistans Premierministerin Benazir Bhutto fühlt sich zu scharfen Tönen gezwungen

Srinagar (afp/taz) - In der Hauptstadt des indischen Unionstaates Jammu Kaschmir sind am Wochenende insgesamt 45 moslemische Demonstranten von Soldaten und Polizisten erschossen worden. Zudem verhängten die Behörden eine Ausgangssperre über sieben weitere Städte. Sprecher der beiden Krankenhäuser Srinagars berichteten, daß die meisten der 150 eingelieferten Verletzten Schußwunden aufwiesen.

Am Samstag abend hatten Tausende Moslems in Srinagar gegen die Ausgangssperre und die direkte Unterstellung des Bundesstaates unter die Regierungsgewalt Neu Delhis protestiert, die am Vortag verkündet worden war. Staatliche Polizeikräfte, die später von der Armee und paramilitärischen Kräften unterstützt worden seien, hätten das Feuer auf die Demonstranten eröffnet, nachdem aus der steinewerfenden Menge heraus Schüsse gefallen seien - so die offiziellen Quellen. Auch am Sonntag hielten die wütenden Proteste und Schießereien an. Am Montag hätte sich die Lage jedoch wieder normalisiert.

Seit Monaten stehen die größten Städte Kaschmirs wegen militanter Aktionen sezessionistischer und islamisch -fundamentalistischer Gruppierungen unter Ausnahmerecht. Wiederholt hat die indische Regierung Pakistan beschuldigt, die Kampagne der moslemischen Fundamentalisten zu schüren, was Pakistan heftig dementiert. Pakistans Premierministerin Bhutto bekräftigte am Sonntag unter massivem Druck der Oppositionsparteien die pakistanische Position, daß Jammu Kaschmir unabhängig werden müsse. Darüber könne es mit Indien keinen Kompromiß geben. Das Parlament werde sich Anfang Februar in einer Sondersitzung mit der Lage in dem „von Indien besetzten Staat“ befassen. Politische Beobachter in Islamabad wollen selbst eine militärische Intervention Pakistans nicht mehr ausschließen. Die Bevölkerung Jammu Kaschmirs hatte mit einer Wahlbeteiligung von nur fünf Prozent demonstriert, daß sie sich auch von der neuen indischen Regierung nicht mehr dominieren lassen wolle. An dem einzigen indischen Bundesstaat mit moslemischer Bevölkerungsmehrheit hatten sich seit 1947 bereits zwei Kriege zwischen Pakistan und Indien entzündet.

sl