Schrumpfwürfel gegen FCKW-Verbot

Bei der Anhörung des Bundesumweltministeriums zur FCKW-Halon-Verordnung entwirft die Industrie Horrorszenarien / Umweltverbände befürchten fatalen Subventionskreislauf  ■  Von Reinhard Loske

Bonn (taz) - Der Bundesumweltminister rief, und über vierzig Verbände machten ihre Aufwartung. Bei der gestern beendeten zweitägigen Anhörung im Bonner Wissenschaftszentrum ging es um Klaus Töpfers „FCKW-Halon-Verbotsverordnung“. Erste Adressen der bundesdeutschen Wirtschaft gaben sich ein Stelldichein, von der Chemie- über die Automobil- bis hin zur Elektronikindustrie. Die Phalanx der wackeren Streiter gegen Töpfers Verbot der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) wurde allerdings angeführt von harmlos klingenden Fachverbänden wie dem „Bundesinnungsverband des Kälteanlagenbauhandwerks“ oder dem „Industrieverband Polyurethan-Hartschaum“. Sie alle stürzt das FCKW-Verbot offenbar in Existenzängste.

Die Argumentation der Industrie gegen den Verordnungstext fiel denn auch entsprechend harsch aus. Man übte sich im Zeichnen von Horrorszenarien. Dr. Mann von der Bayer AG präsentierte dem staunenden Publikum auf besonders anschauliche Weise die Folgen eines FCKW-Verzichts für uns alle. Einen wohlgeformten Schaumstoffwürfel in der Linken, ein eingeschrumpeltes Exemplar ursprünglich gleicher Form in der Rechten, belehrte er die Anwesenden über die Ursache dieses nachgerade dramatischen Unterschieds. Ersterer sei mit FCKW aufgeschäumt, letzterer mit einem Ersatzblähmittel, nämlich Kohlendioxid. Die Ursache der Deformation: Kälte.

Bei so unterkühlt trüben Aussichten wollte der Vertreter der deutschen Großkühlhäuserindustrie nicht hintanstehen und bat die Versammlung, sich einmal vorzustellen, was mit den Großkühlhäusern bei einem Verzicht auf FCKW-geschäumte Dämmstoffe passieren würde. Er jedenfalls könne ein Einstürzen derselben nicht ausschließen, was Dr. Manns „Experiment im kleinen“ hinlänglich bewiesen habe. Als schließlich der Vertreter der Elektronikindustrie für den Fall eines FCKW-Verbots die „Unterversorgung der deutschen Bevölkerung mit Kühlgeräten und Warmwasseraufbereitern ab 1992“ an die Wand malte, wurde es selbst Töpfers gelassenem Verfahrensleiter Dr. Kraus zu bunt. Leicht genervt bat er die „Herren Industrievertreter“, ihre apokalyptischen Phantasien etwas im Zaume zu halten.

Bei genauerem Hinsehen offenbart sich, daß die Stellungnahmen der Industrie eher ihre innere Verfaßtheit als den tatsächlichen Inhalt des Verordnungsentwurfs widerspiegelten. Denn die Verordnung läßt weiträumige Spielräume. Nur in den Bereichen Druckgaspackungen (Sprays), Verpackungsmaterial und Kunststoffgeschirr ist ein Sofortverbot sogenannter vollhalogenierter FCKWs erlassen worden. In den Bereichen Kältemittel, Schaumstoffe und Reinigungsmittel dagegen sollen vollhalogenierte FCKWs noch bis 1992 eigesetzt werden dürfen. Die Anwendung der extrem ozonschädlichen Halone, die insbesondere als Löschmittel eingesetzt werden, ist sogar bis 1996 erlaubt. Das teilhalogenierte H-FCKW22, das auf internationaler Ebene überhaupt nicht geregelt ist, darf im Kältemittelbereich in Mengen unter fünf Kilogramm noch bis 1998 eingesetzt werden.

Um das H-FCKW rankte sich denn auch ein großer Teil der gesamten Anhörung. Während die chemische Industrie in dieser Substanz, deren Ozonschädigungspotential vergleichsweise gering ist, „einen Teil der Lösung“ sieht, betrachten die Umweltverbände sie als „Teil des Problems“. Für den BUND und die Verbraucherinitiative reicht die alleinige Einbeziehung von F22 bei weitem nicht aus, denn durch die Nichtregelung anderer teilhalogenierter Substanzen werde ein fataler Substitutionskreislauf in Gang gesetzt, statt die Suche nach chemiefreien Alternativen zu beflügeln. Ganz anders sieht das die IG Chemie. Ganz Dienerin ihrer Branche, fordert sie die Herausnahme von F22 aus der Verordnung.

Die Kritik der Umweltverbände richtet sich allerdings nicht nur gegen die unvollständige Stoffliste und die großzügigen Fristen. Beklagt wird, daß in der Verordnung nur die Anwendung der FCKWs geregelt wird, nicht aber Produktion, Export und Import. Dies lade, so der Greenpeace -Vertreter Wolfgang Lohbeck, zu verstärktem Export förmlich ein. Schon heute gehe ein großer Teil der in der Bundesrepublik produzierten FCKWs in den Export.

Eine internationale Vorreiterrolle mögen die Umweltverbände der Bundesregierung daher nicht attestieren. Sie fürchten das Gegenteil: Die halbherzige Verordnung schwäche die bundesdeutsche Position bei den Verhandlungen über die Verschärfung des laschen Montrealer Protokolls im Juni in London.