Flüchtlinge kommen wie die „Heuschrecken“

Der Rechtsvertreter des Freistaats Bayern in Asyl- und Ausländerfragen warnt vor einem „Sturm auf Europa“ / „Anrückende Menschenflut“ aus der Dritten Welt würde zu „Mord und Totschlag“ führen / „Asyl-Lobby“ treibt Europa in den „kollektiven Selbstmord“  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - „Wehe dem Industrieland, das seine Pforten diesen Einwanderungsströmen öffnet. Es würde in kürzester Zeit so mit Menschen überschwemmt, daß es selbst zum Hungerland würde. Können wir überhaupt Dämme errichten, die stark und hoch genug sind, um der anrückenden Menschenflut standzuhalten? Ist der Zeitpunkt absehbar an dem die Dämme brechen?“ - Es ist schon ein gar erschröckliches Szenario, das der Mainzer Verlag „Hase und Köhler“ in seiner jüngsten Veröffentlichung dem bundesdeutschen Lesepublikum vor Augen führt. Sturm auf Europa heißt das 140 Seiten dicke Buch und handelt von „Asylanten und Armutsflüchtlingen“ bzw. deren „Völkerwanderung“ nach Europa, „die zwangsläufig zu Mord und Totschlag führt“.

Der Verfasser dieses kruden Horrorszenarios, ein gewisser Manfred Ritter, ist jedoch nicht irgendwer, sondern hat, so die Verlagswerbung, täglich mit dem Asylrecht zu tun und schreibt „aus unmittelbarer persönlicher Erfahrung“. Hobbyautor Ritter ist - wenn er nicht gerade Bücher und Zeitungsartikel schreibt - Landesanwalt im fränkischen Ansbach. Als einer von acht verbeamteten Juristen vertritt er dort den Freistaat Bayern in sämtlichen Verwaltungsgerichtssachen.

Hauptaufgabenbereich des Staatsvertreters: Ausländerfragen und Asylverfahren. Denn da in Bayern strittige Asylentscheidungen samt und sonders zentral beim Verwaltungsgericht Ansbach verhandelt werden, landen sie damit auch auf dem Schreibtisch von Landesanwalt Ritter und seinen Kollegen. Tagsüber hat Ritter in Ansbach die Interessen des Freistaats Bayern zu vertreten, etwa wenn es um eine Aufenthaltserlaubnis für einen Ausländer geht oder eine Ausreiseverfügung für einen Asylbewerber. Nebenberuflich schreibt Ritter zum Thema Bevölkerungsentwicklung und Völkerwanderung aus der Dritten Welt Sätze wie diese: „Vergleiche mit einem Heuschreckenschwarm, der überall, wo er durchzieht, eine Wüste hinterläßt, sind keineswegs übertrieben... Die Lösung kann daher nur lauten: konsequente Abschirmung Europas vor einer Zuwanderung aus den Entwicklungsländern. Nur so hat die europäische Bevölkerung eine Chance, das 21.Jahrhundert zu überleben.“

Ritter prophezeit auch den Untergang des christlichen Abendlandes. „Naive Kirchenmänner“, „einfältige Humanitätsapostel“ und „Ausländerfreunde“ würden einer „drohenden“ Islamisierung Vorschub leisten. Den Anfang dazu haben die türkischen Gastarbeiter gemacht. O-Ton Ritter: „Diese Einwanderer stellen praktisch den - Brückenkopf- für eine weitere unbegrenzte Einwanderung ihrer Glaubensbrüder ... dar.“ Fazit des Hobby-Philosophen: „Selbst ein kommunistisches System dürfte im Vergleich zur 'Hölle‘ einer derartigen multikulturellen Gesellschaft noch wesentlich erträglicher sein.“

Als Veranwortliche für diese „Hölle“ hat Ritter nicht nur eine „Asyl-Lobby“ aus Kirchen, Gewerkschaften, Grünen und christlichen Politikern ausgemacht, sondern vor allem auch die, denen er täglich beruflich gegenübersteht: eine „Diktatur von Verwaltungsrichtern“, die „Deutschland zu einem Einwanderungsland machen“ und Bundesverwaltungsrichter, deren Grundsatzurteile „alle Chaoten unserer Nation zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißen werden“. Bei der Landesanwaltschaft Ansbach scheint man bisher nicht der Meinung zu sein, daß Ritter der falsche Mann ist, um Bayern in Ausländer- und Asylangelegenheiten zu vertreten. Ja, ja, der Herr Ritter schreibe eine ganze Menge, hieß es dort gestern.