Spiritus rector

■ Der Literaturprofessor Hans Mayer ist für viele DDR-Oppositionelle eine Symbolfigur

Er emigrierte gleich zweimal in seinem Leben. 1933 floh der linksgerichtete Literaturwissenschaftler Hans Mayer vor den Nazis nach Frankreich, dann in die Schweiz, später nach New York. Im Herbst 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete einige Jahre als Chefredakteur des Hessischen Rundfunks. 1948 ging er in die sowjetisch besetzte Zone und wurde 1950 Ordinarius für Kultursoziologie und Literaturgeschichte an der Universität Leipzig. Dorthin lud er in den fünfziger Jahren unter anderem die westdeutschen Autoren Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger und Ingeborg Bachmann ein. Mayer wurde von der SED schnell vorgeworfen, „keine ausreichende parteiliche Darstellung und Bewertung der sozialistischen und eine Überschätzung der westdeutschen Gegenwartsliteratur“ abzugeben. So kehrte er nach einem Besuch in der BRD 1963 nicht in die DDR zurück und nahm 1965 einen Lehrstuhl in Hannover an. Wegen Differenzen mit dem niedersächsischen Kulturministerium ließ er sich zehn Jahre später vorzeitig emeritieren und nahm 1975 eine Honorarprofessur in Tübingen an. Im Herbst 1987 beteiligte sich Mayer am Projekt der „Dichter-Taz“. Er lebt heute in Tübingen.

Mayer arbeitete in Leipzig mit Ernst Bloch zusammen. Ihr Versuch, aus der Leipziger Uni die geistige Zentrale der DDR zu machen, scheiterte spätestens 1956, nachdem der Volksaufstand in Ungarn blutig niedergeschlagen worden war. Viele kritische Wissenschaftler verließen schon in den Fünfzigern die Uni, weil sie sich mit den ideologischen Vorgaben der SED nicht abfinden wollten.

ccm