AKW Atucha I ist wieder am Netz

■ Der Defekt, der das argentinische AKW für 16 Monate stillegte, ist behoben, aber nicht geklärt / Siemens warnt: Der Reaktor könne kaputtgehen, eine atomare Gefährdung gebe es aber nicht

Buenos Aires/Berlin (taz) - Nach sechzehn Monaten Unterbrechung ist das argentinische Atomkraftwerk Atucha I wieder am Netz. Bisher werde das AKW nur „zur Probe“ betrieben - so beruhigte der Präsident der Nationalen Kommission für Atomenergie (CNEA), Manuel Mondino. Wenn alles gutgehe, solle es auf 50 Prozent hochgefahren werden. Wann die Reparaturarbeiten soweit abgeschlossen sind, daß das 340-Megawatt-Kraftwerk vollständig ausgelastet werden kann, sagte der CNEA-Chef nicht.

Das 100 Kilometer vor der 12-Millionen-Stadt Buenos Aires gelegene AKW war aufgrund eines Defekts im Kühlsystem im August des vergangenen Jahres abgeschaltet worden. Die Reparaturarbeiten hatten sich als äußerst schwierig herausgestellt, weil es eine vergleichbaren Störfall noch nie gegeben hatte. Bis heute ist ungeklärt, wie es zu dem Defekt kam. Dieser erneute Beweis dafür, daß die Risiken der Atomenergie nicht kalkulierbar sind, wird von der argentinischen Atomkommission ganz anders interpretiert: „Ein noch nie dagewesenes Reaktorproblem wurde von argentinischen Technikern gelöst“, tönte die CNEA, „das beweist die Kapazität unserer Spezialisten.“

Ausgerechnet die Firma Siemens, deren Tochter „Kraftwerkunion“ (KWU) Atucha I errichtet hat, hat gegen das Einschalten des Reaktors massive Bedenken angemeldet. Die bisher durchgeführten Reparaturarbeiten seien unzureichend, eine Betriebnahme sei ein „ernstes Risiko“, daß „neue, nicht mehr zu reparierende Risse“ entstünden. Schon vor zwei Monaten hatten die Deutschen die argentinische Regierung schriftlich auf die Gefahr einer Katastrophe hingewiesen, die nur durch den Einbau eines zweiten Kühlsystems zu vermeiden sei. Ihre Katastrophenwarnung wollen die Siemensexperten allerdings nur auf die Betriebstüchtigkeit ihres Reaktors bezogen wissen: Wenn Atucha I ohne das zusätzliche Kühlsystem gefahren würde, laufe man Gefahr, daß es aufgrund der zu erwartenden Defekte schließlich gar nicht mehr funktioniere. Ein umweltbedrohendes Sicherheitsrisiko, so beteuert Siemens gleichzeitig, bestünde jedoch nicht.

Die CNEA-Experten haben sich die Siemens-Einwände als „unzumutbare Einmischung“ verbeten. Der Einbau eines neuen Kühlsystem, der zwei Jahre dauern und 15 Millionen Dollar kosten soll, wurde abgelehnt. „Hinter dem Siemens-Vorstoß“, spielte der CNEA-Präsident Mondino die Warnungen des Geschäftspartners herunter, „stehen nur wirtschaftliche Interessen.“ In den letzten Monaten war aus dem argentinischen Energieministerium heftiger Druck auf die CNEA ausgeübt worden, Atucha I wieder in Betrieb zu nehmen, weil sonst in den Sommermonaten tägliche Stromsperren nicht zu vermeiden sein werden.

Während in Argentinien - auch innerhalb der Linken - immer noch eine Pro-Atom-Stimmung herrscht und sich selbst die grüne Partei für die Nuklearenergie ausgesprochen hat, regt sich inzwischen im Nachbarland Widerstand. Der uruguayische KP-Abgeordnete Carambula fragte im Außenministerium nach, welches Restrisiko Atucha I für sein Land darstelle.

gw/go