Triumphator Oskar

Die Landtagswahl an der Saar  ■ K O M M E N T A R

Die Zeichen deuteten auf Sieg, aber nicht auf diesen Sieg. Oskar Lafontaine ist nicht nur Sieger an der Saar, sondern hat mit dem heutigen Tag als Triumphator die Szene der Bundespolitik und der deutsch-deutschen Innenpolitik betreten. In allen folgenden Landtagswahlen wird er als Sieger und Herausforderer von Kohl auftreten können, ohne ernsthaft eine Gefahr für sein Renommee befürchten zu müssen. Sein Sieg wird sich noch einmal am 6.Mai in der DDR wiederholen. Die SPD-Ost wird ab jetzt als Partei des Erfolgs auftreten können, in einer Situation zumal, in der die Parteien dort eher Depressivität und Hilflosigkeit gegenüber ihren eigenen Schlagworten ausstrahlen. Lafontaine hat den politisch richtigen Wahlkampf gemacht. Die Wahlfrage an der Saar war die Deutschlandpolitik. Lafontaine hat einen Wahlkampf der Heimatverbundenheit gemacht, ohne sich darauf einzulassen. Er hat es verstanden, als Saarländer gegen den Rest der Welt zu kämpfen, ohne auch nur einen Moment in saarspezifischen Themen zu verharren. Die Kläranlagen von Jo Leinen spielten keine Rolle. Er hat den anderen Parteien den gehässigen Streit um das „Saarländische“ oktroyiert, während er es nur demonstrieren mußte. Damit hat Lafontaine sein Dilemma überspielt: daß sein Sieg den Abschied von der Saar bedeutet.

Der Deutschlandpolitiker Lafontaine hat wie kein anderer begriffen, daß die Wiedervereinigung mit Angst verbunden ist. Die deutsch-deutsche Euphorie ist vorbei, und der kleine Mann beginnt die Kosten zu bedenken. Der Populist Lafontaine hat verstanden, daß es gilt, auch unpopulär zu sein, daß der Erfolg hat, der möglichst schnell aus der längst überholten Traumwelt der Wiedervereiniger heraustritt und politisch über den deutsch-deutschen Interessenwiderspruch redet. Seine rasche Klugheit, die Angst vor dem Übersiedler zu thematisieren - bis hart an die Grenze des Wohlstandsrassismus, kann dann aber nicht das letzte Wort sein. Sein Ruf, unangenehme Wahrheiten auftischen zu können, setzt nun auch Kriterien für den Konkurrenten Kohl. Dessen Politik mit „historischen Stunden“ ist gescheitert. Insofern ist Lafontaine erster Sieger im deutsch-deutschen Wahlkampf, dessen letzte Veranstaltung nicht an der Saar, sondern in Gotha im Lande Thüringen stattfand.

Gerade weil es ein deutschlandpolitischer Wahlkampf war, hat die Niederlage der „Republikaner“ Gewicht. Ihre Niederlage macht deutlich, daß die Leute Demagogen als Risiko begreifen. Die trübe Niederlage der Grünen gehört sicher schon der Geschichte an. Die saarländischen Grünen hatten außer ihrem Regionalismus kaum etwas in die Waagschale zu werfen. Dennoch bedeutet ihre Niederlage eine Gefahr für die Grünen in der Bundesrepublik. Außer der rot-grünen Koalition haben die Grünen kaum noch eine mobilisierende Perspektive. Ein Triumphator Lafontaine wäre dumm, wenn er nun keinen Verdrängungswahlkampf gegen die Grünen führen würde. Vor allem aber ist der Sieg von Lafontaine eine direkte Niederlage der Bonner Koalition und insbesondere von Kanzler Kohl. Kohl hat sich mit der Vertreibung von Geißler zum obersten Wahlkämpfer seiner Partei gemacht; er kann niemanden mehr opfern. Die Angst ums Überleben wird die CDU regieren. Lafontaine wird Kohl aus der DDR heraus angreifen. Der DDR-Wahlkampf wird an Härte zunehmen, auch deswegen, weil die DDR-Bürger wissen, daß sie den Kanzler der BRD mitwählen werden. Die Vorteile werden bei Lafontaine liegen: Er wird über die Realität so reden können, wie sie die Leute im Kopf haben, und er ist fähig, die Idee der sozialen Gerechtigkeit ins deutsch-deutsche Wählen hineinzubringen. Nur er kann dem Bundesbürger klarmachen, daß Abstriche am Wohlstand nötig sind, um das Auswandern aus der DDR zu bremsen. Und - nicht zuletzt - er wird sofort sagen können, woher die deutsch-deutsche Vereinigung auch finanziert werden muß: aus dem Rüstungshaushalt.

Klaus Hartung