Hickhack beim Neuen Forum

■ Linker Flügel bei Programmentscheid unterlegen / Streit auch um runden Tisch

Berlin (taz) - „Wenn ich meiner Basisgruppe erklären soll, was hier passiert ist“, so der Stoßseufzer einer Delegierten, „erklären die mich für verrückt.“ Auf der Delegiertenkonferenz des Neuen Forums brachen politische Differenzen, die schon länger schwelen, bei der Programmdebatte offen aus. Die „Linke Fraktion“ um Reinhard Schult und Ingrid Köppe, die neben Rolf Henrich das Neue Forum bisher am runden Tisch vertraten, erlitt mehrere Niederlagen: eine Quotierung für Frauen wurde abgelehnt; ein ursprünglich im Programmentwurf gefordertes Vetorecht für Betriebsräte in Angelegenheiten ihres Unternehmens wurde ersatzlos gestrichen, und statt eines Bekenntnisses zur Zweistaatlichkeit wurde eine Kompromißformel zur Einheit der deutschen Nation angenommen. Zugleich war dies eine Niederlage für den überwiegenden Teil der Berliner Gründergeneration des Neuen Forums um Bärbel Bohley und Jens Reich.

Danach zogen die Linken erst einmal aus, um mit der Forderung zurückzukehren, ihre Minoritätsposition und das Recht auf eine eigene programmatische Plattform ausdrücklich anzuerkennen und ihre beiden Vertreter am runden Tisch zu bestätigen. Ersteres wurde als „Selbstverständlichkeit“ akzeptiert, keine Bereitschaft aber bestand, der Minderheit, die etwa ein Drittel der Delegierten hinter sich hatte, zwei der drei Sitze des Neuen Forums am runden Tisch zuzugestehen. Nach heftigem Abstimmungshickhack erklärte auch Henrich, der sich der Mehrheit zurechnet, seinen Rücktritt: Er könne nicht länger als Vertreter des Neuen Forums am runden Tisch sitzen, da die Berliner Organisation, die ihm zuarbeiten müsse, die Position der Minderheit teile. Schließlich wurde neu gewählt: Der Schweriner Theologe Heiko Lietz (46) und der Berliner Diplom-Ingenieur Werner Schulz (40) als Vertreter der Mehrheit, Ingrid Koppe als Vertreterin der Linken. Unter diesen Bedingungen war sie nicht bereit, die Wahl anzunehmen.

ws