Lafontaine lehrt die Republikaner das Fürchten

Nach der Landtagswahl skandierten die Genossen „Oskar! Oskar!“ und „Wir sind ein Volk“ / Die Republikaner büßten ihre Erfolge bei den Kommunal- und Europawahlen von 1989 wieder ein / Nach der CDU-Schlappe im Saarland ist Töpfers Kabinettssessel in Bonn nicht unumstriten / Wahl„party“ der Grünen dauerte eine halbe Stunde  ■  Von der Saar Jo Weidemann

Urplötzlich wird aus den „Oskar! Oskar!„-Rufen der Menge im Saal „Wir sind ein Volk! Wir sind ein Volk!“ Mehr und mehr DDR-Papierfähnchen tauchen auf. Lafontaine zwängt sich durch die Masse der SPD-Fans, die in der verrauchten Volkshochschule seiner harren. Sonntag nacht - die Saarwahl ist gewonnen. Und vor allem: Lafontaine und seine SPD haben die Rechtsradikalen das Fürchten gelehrt. Das „Wir-Gefühl“, das „Kumpel Oskar“ und sein etwaiger Nachfolger Reinhardt Klimmt so gerne pflegen, zeigt Wirkung. „Oskar kompensiert die ewigen Minderwertigkeitskomplexe der Saarländer“, meint ein SPD-Mann.

Greift Oskars „Wir-Gefühl“ jetzt auf die Republik über? Wird Lafontaine etwa zum Symbol eines neuen Nationalstolzes? Äußerst fragwürdig, denn die Saarländer stellen, was Stolz angeht, schon was Besonderes dar. Eins dagegen scheint sicher: In dem Sozialdemokraten Oskar Lafontaine hat die Demokratie einen wirksamen Antikörper gegen den Virus Franz Schönhuber.

Im Saarland brachen Schönhubers rechtsextreme Republikaner (REPs) ein wie nie zuvor: Sie erzielten nur 3,3 Prozent. Und die Konkurrenz von der NPD, die auch DVU-Kandidaten auf ihre Liste nahm, kam nicht einmal annähernd auf ein Prozent. REP -Hochburgen stürzten wie Kartenhäuser ein, so etwa die Städte Saarlouis und Saarbrücken. In Saarlouis hatten die REPs noch 1989 den Einzug in den Stadtrat gefeiert - mit 10,9 Prozent! Auch bei der Europawahl '89 erreichten sie 10 Prozent. Thema dort waren vor allem die Übergangslager für Aussiedler und die Angst der Saarlouiser, „die Zugezogenen nehmen uns was weg“. Am Sonntag aber schafften es die REPs dort lediglich noch auf 4,9 Prozent. Ähnlich das Bild in Saarbrücken: Dort schrumpften die 5,4 Prozent der REPs bei der Kommunalwahl nun auf 3,4 Prozentpunkte.

Der Grund des Stimmenschwunds heißt Lafontaine. Er forschte nach den Ursachen des REP-Booms, griff die Ängste auf und preschte voran. Anders als die Christsozialen Streibl und Waigel in Bayern fand der Sozialdemokrat Lafontaine das Gegengift mit Forderungen wie: Beschränkung des Zuzugs von DDR-Bürgern und Rumäniendeutschen; Förderung des Dortbleibens von Aus- und Übersiedlern, nicht deren Auswanderung; Sperrung ihres Zugriffs auf das soziale Netz der Bundesrepublik. Bei der Stellen- und Wohnungssuche sollen ihnen nicht länger Vorrechte eingeräumt werden. Dieses Programm raubte den Rechten die Klientel. Die Prügel, er sei ein Populist, ein Stammtischpolitiker, gar „der Schönhuber der SPD“, kann Lafontaine nun locker wegstecken. Der Landeschef der REPs, der Arzt Uwe Strassel, war gestern nicht zu sprechen. Zu Hause sei er nicht, antwortete seine Frau gegenüber der taz, und in die Praxis komme er „erst übermorgen wieder“.

Darnieder liegen auch die anderen Verlierer. Die FDP sieht mit nurmehr drei Abgeordneten einer parlamentarischen Durststrecke entgegen. Die Liberalen müssen überlegen, ob ihr Anti-SPD-Kurs im Schatten der CDU der richtige war. Die Grünen-Spitzenkandidatin Nanette Koch war am Sonntag abend den Tränen nahe. Lafontaine habe eben Umweltthemen hervorragend besetzt - „doch nur verbal“, klagt sie. Umweltminister Jo Leinen (SPD) verzeichnete sogar bei sich in Püttlingen ein Stimmenplus von 10,1 Prozent auf nunmehr 48,9. Zu gerne hätten die Grünen seinen Job übernommen. Daraus wurde genausowenig wie aus der Wahlparty. Die nämlich hatte sich schon um 21.30 Uhr in nichts aufgelöst.

Gedrückt auch CDU-Anwärter Klaus Töpfer. Er wirkte abgekämpft, geknickt, verschlissen. Was dachte er wohl, als nur ein einzelner Junge im Saarbrücker Landtag um ein Autogramm bat? Enttäuschung zeichnete sein Gesicht. Mit feuchten Augen und hängenden Mundwinkeln setzte er seinen Doktor auf das Foto, das ihn noch mit einem „Tu-mir-nichts -zuleide„-Lächeln zeigte. Doch das war vor der Wahl. Nach der Wahl bedauerte ihn eine nahe Freundin: „So was hat er wirklich nicht verdient!“ Eine Mitarbeiterin prophezeit dem Umweltminister nun sogar noch Ärger in Bonn: „Vielleicht wird er jetzt mit einer Professur bedacht und nach Saarbrücken weggelobt.“

In der Tat will Töpfer im Saarbrücker Stadtteil „Am Triller“ wohnen bleiben und nicht nach Mainz zurückziehen. „Im Moment bin ich wenigstens Landtagsabgeordneter“, scherzt er. Den Galgenhumor indes verlor Töpfer nicht. Der Verlierer bei CDU-Freunden Sonntag nacht: „Das Ergebnis müssen wir schöntrinken.“ Die CDU war in jenen schweren Stunden für jeden Trost dankbar. So auch für das Wahlergebnis von Tholey: 49,2 Prozent gegenüber 41,6 Prozent für die Sozis. „Kein Wunder“, frotzelt ein CDU-Mann, „da hat ja auch ein ganzes Kloster mitgewählt!“ Zum Leidwesen der Christdemokraten aber sind die Tholeyer Benediktinermönche auch nicht mehr das, was sie mal waren: 1985 nämlich stand die CDU dort noch mit 55,6 Prozent zu Buche.