Grauer Schlamm, schwarzer Schlamm

■ 1.000 Tonnen Klärschlamm für Dreeßel am Heiderand / Herkunft: Bremer Wollkämmerei und Kommune Pinneberg

Dreeßel: ein winziger Ort am Rand des Landkreises Rotenburg/Wümme in der Nähe von Visselhövede, es gibt Wildschweine dort und Eulen, und seit einigen Wochen dies: Schwere LKW kippen auf einem abgelegenen Acker tonnenweise Schlamm ab. Herkunft: grauer Schlamm aus der Bremer Wollkämmerei und schwarzer aus einer kommunalen Kläranlage in Pinneberg. Auf einer Fläche von über 70 ha sollen 1.000 t Klärschlamm „ausgebracht“ werden. AnwohnerInnen, über diese Art von Entsorgung vor ihrer Haustür nicht erfreut, fragten vergeblich beim Landkreis ROW/Wasserwirtschaftsamt an keine Auskunft. Sie halfen sich selbst, zogen Proben und informierten die Polizei. Diese stoppte erstmal das Ausbringen des schwarzen Schlamms: dafür gibt es keine Genehmigung, und die beantragte Höchstmenge wird auch überschritten.

„Ein höchst sensibles Thema“, war die übereinstimmende Mahnung vieler am Klärschlammgeschäft Beteiligten. Es geht um immens viel Dreck, wachsende Empfindlichkeit bei diesem Thema auch auf dem Land und, nicht zuletzt, um viel Geld. Die Bremer Baumwoll-Kämmerei (BWK), die ihr Schlammproblem von einer Firma Büssenschütt in Morsum im Lohnauftrag erledi

gen läßt, ist voller Sorgen. Ihr Herr Mahnken: „Es gibt keine Alternative zur landwirtschaftlichen Entsorgung.“ Etwa 1 Million DM jährlich kostet die BWK die Klärschlammentsorgung. Schwermetalle, Arsen, Lindan und PCB gelangen aus der Wollwäsche trotz neuer Verfahren in die Kläranlage und den Klärschlamm. Firma Büssenschütt als Klärschlammprofi mit extra riesigen „Düngerstreuern“ sucht bereitwillige Abnehmer auf dem Lande, die, z.T. gegen gutes Geld, den „Ersatzdünger“ abneh

men. „Ein fürchterlich hartes Geschäft“, sagt Büssenschütt, der jährlich 30-40 Strafanzeigen an den Hals bekommt, die Diskussion laufe „emotional und unsachlich“.

Und der Bauer? „Dreeßeler Landwirte würden sich den Schlamm nicht draufpacken“, meint die Deeßelerin Margitta Paprottka vom „Institut für Mensch und Natur“ in Verden, das in Dreeßel Proben gezogen hat.

Es ist tatsächlich ein auswärtiger Großagrarier, Friedrich

Wengenrot aus Hörpel bei Bispingen, der das Land nur gepachtet hat und jetzt die Bestimmungen der Klärschlammverordnung exzessiv nutzt. Die für sechs Jahre genehmigte Menge kippt er auf einen Schlag auf den Acker. „Ich kriege optimalen Nährhumus“, sagt er. Geld bekommt er angeblich keins. Die Anwohner befürchten allerdings ein Geschäft nach dem Motto: Anpachten - Vollschlammen Abkassieren - Weiterziehen.

Wie hart das Geschäft ist, erklärt Herr Indorf vom Wasser

wirtschaftsamt Verden: Der Landkreis hat Mühe, seinen eigenen Schlamm loszuwerden. „Das reiche Bremen kann dafür zahlen, Verden aber nicht. Ein reiner Verdrängungswettbewerb.“ Damit alles mit „rechten Dingen“ zugeht, gibt es die Klärschlammverordnung, die das Ausmaß der Schäden in Grenzen halten will. Doch die ist lückenhaft: Arsen z.B. wird nicht erfaßt. Als die BWK 1989 auf 5.000 t hoch mit Arsen verseuchtem Klärschlamm saß, konnte Indorf den Schlamm nur ordnen, nicht aber abwenden: die Masse wurde im Landkreis verteilt unter der Auflage, daß 6 Jahre nicht mehr gedüngt würde (in Mineraldünger ist ebenfalls viel Arsen). Solche Auflagen zu kontrollieren erfordert einen immensen/unglaublichen Aufwand.

Nach Angaben der Rotenburger Polizei erwartet den Unternehmer Büssenschütt ein weiteres OWI (Ordnungs -Widrigkeiten-Verfahren), weil er den Pinneberger Schlamm noch mit dazumogeln wollte. Ein dummer Zufall nur, daß es rauskam. Die Rotenburger Aufsichtsbehörde wäre von sich aus nicht tätig geworden. Ganz geruhsam wachen jetzt auch die Politiker auf: Die Visselhöveder SPD will das Thema „Dreeßeler Schlamm“ heute abend beraten. Derweil wird in Dreeßel weiter abgekippt.

Bu