DER KÖNIG IST TOT - ES LEBEN DIE HÄNDLER

■ Die SED und die Kunst, die Geschichte einer Liaison

Künstler sind sehr sensibel. Deshalb gehe ich aufmerksam auf sie ein, arbeite kameradschaftlich und aufrichtig mit ihnen zusammen.“ Erich Honecker, der in seiner Autobiographie so fürsorgliche Worte für die vielen fleißigen Künstler fand, wird heute von jedem Parteizeitungsvolontär als seniles Monstrum beschrieben, das jagend und prassend sein Volk an der Kandare hielt.

Und auch im Verband der Bildenden Künstler der DDR, der über 6.000 Mitglieder zählenden Einheitsorganisation, sind die Zeiten vergessen, als der lächelnde Landesvater in Dresden die großen Kunstparaden abnahm und sich von stolzen Malern die Bilder erklären ließ. Verbandspräsident Dietel erklärte noch am 26. Januar 1989: „All jenes aber, das ungewollt oder manchmal auch vielleicht sogar bewußt, mit welchen Methoden auch immer und unter dem Vorwand einer Demokratisierung, die Macht und den demokratischen Zentralismus der Arbeiterklasse in Frage stellt, unterhöhlt oder beseitigen will, wird in diesem Verband unter meiner Leitung keine Chance haben. Für die Funktion als Präsident oder als Vizepräsident bewirbt man sich nicht. Dafür gibt es Gründe, neben denen des ureigensten Verbandsinteresses auch wohl jenes des Machtinteresses. ... Dieser Verband, seine Leitungen von ganz unten bis zum Präsidium und bis zur Funktion des Präsidenten ist ein Teil der Machtstruktur unserer DDR... Wir werden keinem Gelegenheit geben, ihn 'zu Tode demokratisieren‘ zu können...“ Ende November wurde Dietel vom Zentralverband das Vertrauen mehrheitlich ausgesprochen. Nur - wen interessiert das noch, in den Stürmen des Herbstes sind viele Mauern gefallen, und benötigte man früher noch das Mitgliedsbuch des Verbandes, um - von Polizei und Staatssicherheit ungehindert - Kunst zu produzieren und vertreiben zu können, soll heute der Markt „die Spreu vom Weizen“ alleine trennen. Vorbei die Zeiten einer dirigistischen Kunstpolitik, die mit sozialer Absicherung und Auftragsvergabe die Kreativität politisch zu domestizieren und vereinnahmen wußte und eine sich wie auch immer artikulierende Subkultur beargwöhnte. Doch so platt faßt die Analyse nicht. Unter die Euphorie der Künstler, viele Sprachrohr und Ordner der Revolution, mischt sich die Sorge um die eigene Existenz. Kaum verständlich, schaut man nicht zurück und fragt nach der Geschichte der Kunstpolitik in der Ära Honecker. Gegen eine „fremde und

feindliche Welt“

Am 3.Mai 1971 wurde Honecker auf der 16.Tagung des Zentralkomitees der SED zum Ersten Sekretär gewählt. Zuvor hatte man Ulbricht „auf eigenen Wunsch“ von dieser Funktion entbunden. Sechs Wochen später fand in Berlin der VIII.Parteitag der SED statt. In seinen Ausführungen zur Entwicklung der sozialistischen Nationalkultur betonte Honecker die Notwendigkeit der „schöpferischen Suche nach neuen Formen“ und zeichnete ein neues Bild von den Aufgaben, denen sich die Künstler des Landes zu stellen hätten. Neben der „bejahenden Gestaltung des Großen und Schönen unserer Zeit“ auch die „Kritische Darstellung... ihrer zu überwindenden Widersprüche“ und in der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Westen die Suche nach Ausdrucksweisen, „die sich nicht aus dem Modernismus einer uns fremden, ja feindlichen Welt nähren“. Aufbauend auf die kurzen Honecker-Ausführungen setzte der SED-Chefideologe Hager gut ein Jahr später mit seiner Grundsatzrede auf der 16.Tagung des Zentralkomitees die Rahmenbedingungen für die Kunstentwicklung der siebziger und achtziger Jahre. Für die Kulturbürokratie war dieses Mammutreferat der Kodex für den Umgang mit den Künstlern. Bis zur Wende blieb die hier entworfene Strategie die für die SED gültige, auch als längst die Praxis die aufgestellten Postulate in zäher Kleinarbeit bis zur Unkenntlichkeit durchlöchert hatte.

Bis 1971, bis zum VIII.Parteitag der SED war die Kunst in der kulturpolitischen Strategie der Partei als Erziehungsinstrument gehandhabt worden. Sie hatte sich um die Präsentation zukünftiger Gesellschaftszustände als scheinbar reale Gegebenheiten zu bemühen, indem die Protagonisten der gewünschten Entwicklung heroisiert und von allen Zweifeln neutralisiert als greifbare Vorbilder dargestellt wurden. Ging es der SED um die Vorführung der sozialistischen Persönlichkeit oder der sozialistischen Menschengemeinschaft schlechthin, so ging es damit genau an den realen Bedürfnissen der Betrachter vorbei. Künstlerdienst für „sozialistische

Persönlichkeiten“

Der Künstler als kreatives Subjekt sabotierte diese Instrumentarisierung der Kunst permanent. Seine formale Umsetzung der postulierten Leitbilder rieb sich allzuoft mit dem Realismusverständnis der verantwortlichen Genossen. Diese Reibungen wurden als aus dem Kapitalismus ererbter Graben zwischen Volk und Kunst interpretiert. Diese Kluft sollte durch eine Annäherung der Künstler an die Lebens- und Arbeitsbedingungen überwunden werden. Maler gingen in die Produktion, arbeiteten vor Ort und diskutierten ihre Arbeiten mit den Leuten. Arbeiter, die sich in Volkskunstzirkeln ausgezeichnet hatten, wurden an die Hochschulen geschickt.

Im Verzicht auf diese organisierte Harmonisierung wurde mit dem Amtsantritt Honeckers der Künstler als „bewußter Mitgestalter unserer Gesellschaft“ wieder a priori Bestandteil des Volkes. Seine Arbeit soll, so Hager, dem differenzierten Bedürfnisgefüge der Gesellschaft gerecht werden, so alles erschließen, „was sozialistische Persönlichkeiten zu ihrer Entfaltung brauchen“. Die Jahre nach dem VIII. Parteitag waren durch eine allgemeine Aufbruchsstimmung geprägt. Der internationale Entspannungsprozeß führte auch zu einer beginnenden Entkrampfung des deutsch-deutschen Verhältnisses. Das Lebensniveau der DDR-Bevölkerung wurde durch eine Reihe breiter Sozialmaßnahmen angehoben und im Vergleich zur Ulbricht-Ära vor allem im kulturellen Bereich vitalisiert.

In diesem Klima begegnete man den Künstlern mit einer starken Erwartungshaltung. Schriftsteller, Filme- und Theatermacher, Rockmusiker, aber auch bildende Künstler begannen, sich mit dem widersprüchlichen Alltag auseinanderzusetzen. In den entstandenen Arbeiten erkannten die Leute ihre persönlichen Erfahrungen stärker vergegenwärtigt als in den vergangenen Phasen der DDR -Kunstentwicklung. Stärker aber auch als in den reglementierten Massenmedien. So wurden in den Bildern die Konflikte ausgetragen, Meinungen geäußert und Zweifel angemeldet, für die in den Berichten von Presse, Funk und Fernsehen keine Plattform existierte.

Die Besucherzahlen der großen Bilanzausstellungen stiegen sprunghaft an. (1963: 200.000; 1967: 250.000; 1972: 655.000; 1977: 1.100.000) Nach anfänglichen Problemen war es vor allem die Leipziger Künstlerschaft, die durch ihren „Drang zur gedanken- und phantasiereichen Deutung von Themen der Geschichte bis zu intimen Bereichen unserer Umwelt sowie durch die Neigung zu einer gegenstandsbetonten, aber ausdrucksstarken Auffassung das Publikum zu binden wußten. Bildende Kunst wurde zu „einem repräsentativen Mittel der gesellschaftlichen Selbstverständigung“. Soweit die DDR -Kunstkritik jener Zeit über Werke, die wie Mattheuers „Ausgezeichnete“ oder Pfeifers „Feierabend“ als Beispiel für die um die VIII.Kunstausstellung 1977 kulminierende Popularität der DDR-Malerei stehen. Doch der Euphorie folgte bald die Ernüchterung. Mag sein, daß die Sterne günstig standen und der internationale Trend zur Annäherung von Bild und Massenpublikum in der DDR förderlich war, doch Ende der Siebziger drehte sich der Wind. Der lange Abschied vom

sozialistischen Realismus

Ein öffentliches Reagieren auf Kunstangebote fand ernsthaft nur alle fünf Jahre statt. Zwischen den großen Dresdener VBK -Ausstellungen blieb die Diskussion im wesentlichen beschränkt auf die einzige Kunstzeitschrift des Landes. So könnte die neue Heftigkeit herüberschwappen und sich vermittelt über Lehrer wie den Leipziger Bernhard Heisig unbemerkt mit den expressiven Traditionen der deutschen Malerei, in den Ateliers einer neuen Generation zu einem eigenständigen Ausdruck verschmelzen lassen.

Die IX.Kunstausstellung überraschte 1982 Presse wie Gelegenheitspublikum durch die Radikalität der angebotenen formalen Lösungen, die stark subjektiv strukturierten Bildinhalte und die insgesamt „wenig optimistische Weltansicht“. Die wohlwollenden Kritiker betonten die „subjektive Befindlichkeit des Künstlers im Angesicht der atomaren Bedrohung“, aber auch diese Bewältigungsformel konnte den Riß nicht kitten.

Die in der Mitte der siebziger Jahre erreichte Konvergenz von Produzenten- und Rezipientenbedürfnis war erschüttert. Zehn Prozent weniger Besucher im Vergleich zur VIII. müssen als Indiz für Interessenschwund akzeptiert werden.

Hager erklärte im Januar 1989, wohl im Bewußtsein des Prozesses: „Zur Qualität künstlerischer Arbeit gehört auch, daß mehr auf die Bezug genommen wird, für die sie gedacht ist“. 1983, gut sechs Monate nachdem er mit seinem Generalsekretär Honecker durch die Dresdener Ausstellung geschlendert ist, hält es der Mann für alles Geistige im Politbüro fürangebracht, die Mitglieder des VBK -Zentralvorstandes an ihr Statut zu erinnern. „Der Verband Bildender Künstler bekennt sich zum sozialistischen Realismus - als Ausdruck des Wesens und der Wirklichkeit der sozialistischen Gesellschaft - als Hauptmethode des Kunstschaffens“ und weiter Hager mit eigenen Worten: „Wir gehen dabei stets davon aus, daß unsere sozialistisch -realistische Kunst, in welchen Formen sie sich auch zeigt, vor allem Abbild der Wirklichkeit, eine der Grundformen der Erkenntnis der heutigen Welt, der Menschen in der Welt ist. Das setzt zugleich voraus, daß sich die Kunst auch als Erkenntnis mitteilt und aufgenommen werden kann, daß sie erlebbar, verständlich, erfaßbar ist.“

Doch spätestens in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre verstummen die Herren aus Wandlitz und überlassen das Feld der Kunst rhetorisch den unteren Chargen. Irrelevanz der Ästhetik

Der sozialistische Realismus, in den Jahren unter Ulbricht die einzig mögliche Art künstlerischer Produktion, wird im Verlauf der siebziger Jahre nur noch als Hauptmethode des Schaffens in der DDR definiert und schließlich von der Kulturtheorie durch Neubesetzung derartig verwässert, daß schließlich dieser Begriff zur Kennzeichnung einer spezifischen Form künstlerischer Ausdrucksweise irrelevant wurde. In dem 1987 erschienenen Schlüsselwerk der DDR -Kulturtheorie „Ästhetik der Kunst“ schreibt der Herausgeber Erwin Pracht: „Sozialistischer Realismus ist eine Ästhetik der sozialen Aktion - oder genauer - zielt auf diese, will sie - in Gestalt idealer Impulse eingreifendes Denken erzeugend - mitbewirken, zu ihr beitragen, freilich nur selten direkt, sondern meist auf vielfach vermittelte und spezifisch ästhetische Weise.“ Damit hatte sich jede Diskussion über die einzusetzenden Mittel erübrigt sozialistischer Realismus war Funktion.

Ohnehin hatte es die Partei zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben, durch direkte Einflußnahme die Kunst in irgendeine Richtung zu treiben. Man überließ die Schadensbegrenzung, wohl in der Einsicht eigener Konzeptionslosigkeit und im vollen Vertrauen auf das „gesunde Volksempfinden“, der Kulturbürokratie und seinen Vorposten im Künstlerverband. Am Ende war schließlich alles erlaubt bis hin zum blutigen Aktionsspektakel.

Die eigentlichen Konflikte hatten sich verlagert, nach 1985 ging auch in der Künstlerschaft der DDR das Gorbatschow -Fieber um, die Reformkräfte im Verband drängten auf eine zunehmend kritische Haltung ihrer Organisation gegenüber der stagnierenden Führung. Die Politisierung der Künstler schlug sich kaum in ihren Arbeiten nieder, wohl aber in geballter Form auf dem X. Kongreß des Verbandes Bildender Künstler im Herbst 1988. Der äußere Anlaß für die Rebellion der Künstler war das Verbot der sowjetischen Zeitschrift 'Sputnik‘ in der DDR. Die versammelte Politprominenz konnte sich nur durch den organisierten Auszug aus dem Saal vor den kritischen Worten der Delegierten schützen, nachdem alle Versuche gescheitert waren, deren Protest abzuwürgen. Presse und Fernsehen berichteten über diese Vorgänge nicht und bemühten sich, ein möglichst ungetrübtes Bild zu zeichnen, die Künstler fühlten sich verraten und entmündigt. Aufstand der Vorzeigekünstler

Im September, auf dem Höhepunkt der Fluchtwelle, ging auch der Künstlerverband in die Offensive. Vorher schon vereinzelt in oppositionellen Gruppierungen wie dem „Neuen Forum“ engagiert, nutzten nun die Künstler ihren Verband, um gegen die Ignoranz, später die Willkür der SED-Führung zu protestieren. Sogar treue Vorzeigekünstler wie die Berliner Malerin Hegewald oder Nationalpreisträger Werner Tübke erhoben ihre Stimme. Heidrun Hegewald in einem Brief an den ehemaligen Berliner Parteichef am 24.9. 1989: „Lieber Genosse Schabowski! ... Nun spätestens: Es gibt keinen Sozialismus ohne schonungslose Wahrheit. Realitätsverlust macht sich breit und Subjektivismus. DDR - ein Land im Chaos der Meinungslosigkeit. ... Was tun, Genossen?“ Die große Demonstration am 4. November in Ost-Berlin, vom VBK mitgetragen, war schließlich der Kulminationspunkt des politischen Engagements und seiner Resonanz im Volk. Dann die Öffnung der Mauer und eine neue Regierung, die die Freiheit der Kunst proklamierte, Zensur, Zulassungsbeschränkungen und Honorarrichtlinien außer Kraft setzte. Schließlich ein Volk, das kein Sprachrohr mehr braucht, selbst seine Forderungen formuliert oder es den diversen neuen politischen Parteien überläßt. Der Künstlerverband rutscht in die Krise. Einzelne Berufssparten beginnen sich abzuspalten und ganz andere Strukturen werden diskutiert.

Schutzverbände sollen die Kultur vor der totalen Kommerzialisierung retten und Subventionen einklagen. Marktwirtschaft, das neue Zauberwort, Agenturen und Privatgalerien übernehmen das vom Staat geräumte Feld. Der Markt: Von

Ulbricht zu Ludwig

Doch wo ist der Markt? Seit Beginn der fünfziger Jahre wurde das öffentliche Auftragswesen für die Künstler in der DDR als Erwerbsquelle bestimmend. Das Netz der privaten Verkaufsgalerien zerfiel, da die einstigen Käuferschichten, enteignet oder abgewandert, fehlten und in der sich neu formierenden Sozialstruktur keiner ihren Platz einnehmen konnte. Die jetzt „beherrschende“ Klasse entwickelt aus verständlichen Gründen außerhalb der sie repräsentierenden Organisationen, Partei, Gewerkschaft, Jugendverband, wenig Neigung, über den Kauf von Kunst den Prozeß einer verkündeten „Erneuerung der Kunst“ zu beeinflussen. Die noch vorhandenen Käuferschichten rekrutierten sich überwiegend aus der Intelliegenz und finanzierten mit ihren Ankäufen eine nicht im Rampenlicht öffentlicher Diskussion stehende Künstlerschaft, deren Bildangebote die geforderten didaktischen Strukturen kaum offerierten.

Das öffentliche Auftragswesen, von der SED beherrscht, förderte eine Kunst, die im Dienste der „sozialistischen Erziehung unserer Menschen“ (Ulbricht) stand. Für die Künstler, die sich den Forderungen ihrer Auftraggeber stellten, ohne ihre künstlerische Individualität zu leugnen, gab es wenig lobende Worte. Die Führung, in ihrer ästhetischen Sozialisation eher geprägt durch ein kleinbürgerliches Kunstverständnis bzw. durch einen Realismus stalinistischer Prägung, kritisierte öffentlich. So auch Ulbricht auf dem VII. Parteitag der SED 1967: „Bedeutende Werke einzelner Künstler aus der letzten Zeit können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß im Ganzen ein Zurückbleiben der bildenden Künste hinter den Erfordernissen der neuen gesellschaftlichen Entwicklung festzustellen ist“. Bemerkungen wie die des SED -Kulturpolitikers Kurella im 'Neuen Deutschland‘ vom selben Jahr, daß die Künstler Tübke und Sitte mit ihren jüngsten Arbeiten „den Weg des Sozialismus zu verlassen beginnen“, konnten mehr als nur geschäftsschädigend sein.

Aus dieser Situation, der permanenten Unterdrückung der eigenen künstlerischen Intentionen, des Anpassens oder Untertauchens, ist die „Dankbarkeit“ vieler Künstler erklärlich, mit der sie die liberalere Politik Honeckers quittierten. Als die Einflußnahme nicht mehr direkt auf die künstlerische Kompetenz der Macher zielte, waren sie auch in der Lage, das Interesse ihrer eigentlichen Adressaten zu wecken. Unterentwickelte

Kunstkonsumenten

gesellschaft

Doch diese Entwicklung besaß ihre Eigendynamik. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre verkomplizierte sich die Bildsprache zunehmend, sie bediente sich der intellektuellen Intentionen der Künstler folgend, einer stets üppiger werdenden Staffage. Damit befriedigte sie zwar das künstlerische Bedürfnis des Produzenten, verlor aber deutlich an Verbindlichkeit für all jene, die Kunst selten und ohne kunsthistorische Vorbildung aufnahmen. Ihre Bedürnisse, von einer kaum musisch orientierten Bildungspolitik geprägt, blieben unbefriedigt und die Bereitschaft, durch den Kauf von Kunst den Zustand im gewünschten Sinne zu verändern, blieb verhalten.

Zwar hatte sich das „Kunstkonsumentenfeld“ in den Jahren der Herrschaft Honeckers umstrukturiert, das Verlangen vor allem der neuen, jungen Intelligenz, Kunst in den Wohnbereich einzubeziehen, führte zu einer steigenden Nachfrage nach preiswerten, also in der Mehrzahl druckgrafischen Angeboten, doch zum Unterhalt einer stetig wachsenden Künstlerschaft reichte dieser Markt nicht aus.

Der auf Drängen der Künstler 1974 gegründete Staatliche Kunsthandel regulierte über ein Netz von Verkaufsgalerien den Verkehr zwischen Künstler und Käufer und orientierte sich beim Verkauf, bei einer konstanten Provision von 20 Prozent, an ökonomischen Prämissen. Eine offensive und differenzierte Marktarbeit war diesem Handelsriesen kaum möglich und viele, vor allem unbekannte Künstler, fühlten sich nicht ausreichend vertreten. Der Staatliche Kunsthandel schließlich war auch allein nur autorisiert, Kunst ins Ausland zu verkaufen. Dieser Markt wurde für die DDR-Kunst immer bestimmender, sein Umsatzvolumen betrug 1989 etwa vier Millionen D-Mark. Vergebliche Warnung vor

„gegnerischen Kunstfreunden“

Am Ende der siebziger Jahre begann im Westen das Interesse an der Kunst aus dem anderen Deutschland zu wachsen. Kunstsammler und Museen erwarben Arbeiten aus der DDR und setzten dabei durchaus eigene Akzente, förderten neben der Phalanx der in ihrer Heimat offiziell anerkannten Künstler auch jene, deren Bildangebote auch der erweiterten Auffassung von möglicher Kunst im Sozialismus widersprachen und die demzufolge auch keine Öffentlichkeit besaßen. Für die Käufer war das Herkunftsland oft nur exotisches Beiwerk oder eine Haltbarkeitsgarantie auf dem turbulenten Markt. Zwangsläufig mündete diese Erweiterung des Kunden- und Rezipientenkreises, damit auch die zunehmende Präsenz in der internationalen Fachpresse wie die grenzüberschreitenden Kontakte und Erfahrungen, bei den betreffenden Künstlern im eigenen Selbstverständnis und in ihrer künstlerischen Arbeit. Hager warnte 1983 die Künstler zwar noch einmal: „Wir können auch die Aktivitäten gegnerischer Kunstfreunde nicht außer acht lassen, die in ihren Begegnungen mit Künstlern der DDR bestrebt sind, weltanschauliche Vorbehalte gegen den sozialistischen Realismus zu fördern und bürgerliche Anschauungen zu verbreiten“, doch schließlich nahm man auch diese Entwicklung hin und versuchte, sie zur Aufpolierung des eigenen Images zu nutzen. Im Sommer 1989, als das Staatsschiff schon schwankte, erhielt der bundesdeutsche Oberkunstfreund Ludwig den „Stern der Völkerfreundschaft“.

Schließlich sieht der Künstler-Chef Dietel 1989 schon eine drohende „Funktionskette von Ausbildung, Vorstellen in DDR -Galerien bis zur einseitigen Zielfunktion westlicher Kunstmärkte“..., die zur „kulturpolitischen Fremdsteuerung“ führt. Sicher ist für viele Künstler nach der Öffnung der Grenzen der DDR-Markt zweitrangig, und man versucht, im Sog des Revolutionsbooms die westlichen Galerien zu stürmen, nur wurde diese Entwicklung durch eine starre Honorargesetzgebung und enge Zulassungspolitik gefördert. Die entsprechenden Verordnungen regulierten den Verkauf im wesentlichen nach Quadratmetern, und nur Spitzenkünstler hatten gesonderte Konditionen. Kunst als Ware und Kapitalanlage wird nun aber, da die Gerüchte über Währungsreform und Geldentwertung kreisen und die offenen Grenzen den Schmuggel erleichtern, auch in der DDR zur Realität. Und das bedeutet: Großeinkäufe bei der „Leipziger Grafikbörse“ im November und in den Galerien des Staatlichen Kunsthandels, Schlangen vor den Antiquitätenläden des Landes. Der Untergrund

taucht auf

Fern aller Parteitags- und Kongreßreden gab es aber auch eine Kulturpolitik der direkten Aktion. Sie richtete sich, nachdem das Land durch die infame Einmischung der Partei in die künstlerische Arbeit des Einzelnen schon einen großen Teil seiner kreativsten Kräfte in den Westen abwandern sehen mußte, in den achtziger Jahren vor allem gegen die Herausbildung autonomer Vermittlungsstrukturen. Bis auf die geschichtsträchtige Dresdener Galerie Kühl überlebten keine Privatgalerien die kulturpolitische Wende nach der Gründung der DDR, und erst in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre begannen zaghafte Versuche, dem staatlichen Monopol den Kampf anzusagen, Kunst in unabhängigen Strukturen zu präsentieren.

Wohnungen und Kirchenräume boten den offiziell nicht anerkannten Künstlern die Möglichkeit, ihre Arbeiten vorzustellen. Zwar gab es in den späten achtziger Jahren kaum mehr formale Vorbehalte, jedenfalls keine, die sich auf die künstlerische Methode bezogen, doch war nach wie vor die Frage einer offiziellen Legitimation für die Arbeit als „Künstler“ entscheidend. Fast alle Galerien sträubten sich, Leute vorzustellen, die nicht durch ihre Mitgliedschaft im Künstlerverband als Künstler zu erkennen waren oder auch solche, die durch Ausreiseantrag oder politische Aktivitäten im Visier der Staatssicherheit waren. Ihnen war es kaum möglich, durch den Verkauf von Kunst zu leben, zumal auch der Kunsthandel sie boykottierte. So entstanden in den letzten Jahren fast überall in der DDR zwangsläufig Selbsthilfeprojekte. Und ihnen, ihren Organisatoren, galt die besondere Aufmerksamkeit des Staates. „Gesellschaftlich nützliche

Tätigkeit?“

Das Strafgesetz der DDR enthielt eine Reihe von Paragraphen, die bei Bedarf ein Vorgehen gegen Leute ermöglichten, die ohne Zulassung als freie Künstler oder Galeristen arbeiteten. Neben diversen Bestimmungen aus dem Gesetz gegen Ordnungswidrigkeiten ermöglichten vor allem die aus dem Verfassungsartikel 24 abgeleiteten Verordnungen eine permanente Gängelung des Einzelnen. „Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit“, steht dort, und weiter „Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger“. Nur was gesellschaftlich nützlich ist, bestimmte der Staat, und so konnten all jene, die ohne Genehmigung an Alternativen zum offiziellen Kulturbetrieb ihre Arbeitskraft vergaben, wegen asozialen Verhaltens belangt werden. So starben viele der Projekte nach kurzer Zeit und zumeist unter dem Druck der Behörden. Eines der wenigen funktionierenden alternativen Galeriemodelle, das seit vier Jahren schon unbehelligt und kontinuierlich Kunst präsentiert, ist die Eigen+Art in Leipzig. Was wie ein Wunder erscheint und doch im wesentlichen dem besonderen Talent Gerd Harry Lybkes geschuldet ist.

Er, der Galerist, vollführte einen Drahtseilakt zwischen Szene und Apparat, seine Einladungskarten gingen ins Kulturministerium, in den VBK-Zentralvorstand, zu den Größen der DDR-Kunst und zugleich in die besetzten Ateliers im Prenzlauer Berg. Schließlich wurde er Kandidat des Künstlerverbandes und als Enfant terrible im Kulturbetrieb hoffähig. Doch auch an seinem Unternehmen ist die Wende nicht spurlos vorbeigegangen. Lybke kommerzialisiert seine Aktivitäten, nimmt Künstler unter Vertrag und geht auf den internationalen Markt. Doch schon entstehen, jetzt unbehelligt, neue Projekte. In Cottbus das „Haus 23“, in Leipzig die Galerie „ARTig“... Aber der anhaltende Exodus hat seine Spuren hinterlassen und reißt noch immer Löcher, die Abwanderung der letzten Jahre hat vor allem in der Szene zu einem Substanzverlust geführt. Neue Talente sind rar geworden. Andre Meie