BND lauscht weiter in die DDR

■ Briefe und Telefonate aus der DDR werden von Pullach aus weiterhin „strategisch überwacht“

Berlin (taz/dpa) - Der Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft, Kurt van Haaren, empörte sich gestern über den Bundesnachrichtendienst (BND), der ungeniert weiter das betreibt, was Bonner Politiker der DDR als Belastung für die deutsch-deutschen Beziehungen ankreiden: die Spionage. So kontrolliert der BND weiterhin zum Zweck der „strategischen Überwachung“ die Postsendungen, die von der DDR in der Bundesrepublik eingehen. Und wie die vielgescholtenen DDR -Kollegen hält auch der bundesdeutsche Geheimdienst sein Ohr in den Telefonverkehr des ersten Arbeiter- und Bauernstaates.

Da die Überwachungsaktivitäten des BND gesetzlich abgesichert sind, müsse „man das politisch geißeln“, erklärte der Gewerkschafter gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk. Es werde so getan, „als ob wir noch immer in den schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges leben“. Im Zeitalter der modernen Satellitenaufklärung sei eine „solche individuelle Bespitzelung“ zudem völlig unnötig. Seine Postkollegen nahm van Haaren in Schutz. Die Praxis der Brief - und Telefonüberwachung des Pullacher Nachrichtendienstes habe „nichts mit den Postlern zu tun“. Die Postbediensteten würden nur „nach dem Zufallsprinzip ein, zwei Beutel“ mit DDR-Briefen aussortieren und an Mitarbeiter des BND weiterreichen. Die Postsendungen würden später wieder in den Postbetrieb eingeschleust.

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans Neusel, hat gestern in Bonn erneut bestätigt, daß die Spionage der DDR im Bundesgebiet weitergeht. Er habe „konkrete Hinweise“ dafür, daß die „Hauptverwaltung Aufklärung“ des früheren Staatssicherheitsdienstes bis Mitte Januar die Telefongespräche von Bonner Ministerien mit West-Berlin und auch Telefonate innerhalb der Bundesrepublik abgehört hat. Es sei „wahrscheinlich“, daß dies heute noch praktiziert wird. Auch das Agentennetz der DDR soll seinen Angaben zufolge trotz offizieller Auflösung der Stasi weiter existieren. Die Zahl der DDR-Spione im Bundesgebiet wird nach wie vor auf mehrere tausend geschätzt. Neusel geht davon aus, daß es sich jetzt überwiegend um „Schläfer“ handelt, die auf Weisung aus Ost-Berlin zwar nicht mehr spionieren, aber in Wartestellung bleiben.

wg