Späte Folgen einer RAF-Erklärung

Abdruck von Rolf Heißlers Erklärung im 'Hungerstreik-Info‘ bringt jetzt Redakteurin vor den Kadi / Verfahren auf Initiative der Bundesanwaltschaft / Bundesrepublik „böswillig verächtlich“ gemacht / Abdruck in der taz blieb ohne Folgen/ Gericht will Zeugen hören  ■  Aus Köln Walter Jakobs

„Ich habe nicht die Erklärung Rolf Heißlers zu verantworten, sondern ihren Abdruck“, und den, so fügt Christiane Schneider, presserechtlich verantwortliche Redakteurin des 'Hungerstreik-Infos‘, hinzu, habe sie in Kenntnis des Pressegesetzes für strafrechtlich bedeutungslos gehalten, und dies sei „auch weiterhin“ ihre Meinung. Das sieht Generalbundesanwalt Kurt Rebmann völlig anders.

Weil dessen Behörde schon im April 1989 - also während des Hungerstreiks der RAF-Gefangenen - ein Verfahren gegen das 'Info‘ anstrengte und später an die Kölner Staatsanwaltschaft abgab, steht Frau Schneider nun vor dem Kölner Amtsgericht. Mit dem Abdruck der Heißler-Erklärung habe sich die Angeklagte, so sieht es die Staatsanwältin Dr.Klug, nach Paragraph 90a STGB schuldig und die BRD „böswillig verächtlich“ gemacht. Eine Strafvorschrift, die als Höchststrafe drei Jahre Haft vorsieht.

Als strafrechtlich relevante „Verächtlichmachung“ wertet die Anklage vor allem diesen Satz: „die bundesanwaltschaft propagiert vom ersten tag unseres Kampfes an - ablehnung unserer forderungen - offen die ermordung aller politischen gefangenen in der brd und westberlin...“, schrieb der hungerstreikende Gefangene Heißler in seiner Zelle. Darf man das drucken? Angesichts der damaligen Situation im Hungerstreik und angesichts der „irreführenden Behauptungen unter direkter Berufung auf Gefangene“ in der Presse, sei der Abdruck geradezu geboten gewesen, erklärte die angeklagte Redakteurin des 'Info‘. Um der „Desinformation“ entgegenzuwirken, sei es wichtig gewesen, die „Vorstellungen und Auffassungen der Gefangenen authentisch in die öffentliche Diskussion einzubringen“.

Das war auch die Meinung der taz, die die Heißler-Erklärung im vollen Wortlaut am 11.3.89 druckte. Doch während der Abdruck für die taz juristisch folgenlos blieb, wurde Rebmann gegen das 'Hungerstreik-Info‘, das von den Angehörigen der Gefangenen herausgegeben wird, aktiv. Das Verfahren sei „eine politische Pression, die in der Konsequenz darauf zielt, oppositionelle Kräfte von der Pressefreiheit auszuschließen“, erklärte Christiane Schneider vor Gericht.

Eine Argumentation, die offenbar selbst Amtsrichterin Borchard nicht unbeeindruckt ließ. Zunächst überzeugte sie sich am Montag im Gericht per Leseprobe davon, daß die taz -Version vom Original nicht abwich und der Text nicht mit einer distanzierenden redaktionellen Bemerkung versehen war. Wieso traf es dann nicht auch die taz? Eine Ungleichbehandlung dämmerte auch der Richterin, aber eine ohne juristische Bedeutung für die Angeklagte. Im übrigen könne man ja auch sagen, „es ist ungerecht, daß die anderen nicht auch verfolgt werden“. Nun, dieser Kelch geht an der presserechtlich verantwortlichen Redakteurin der taz, Georgia Tornow, schon wegen der Verjährungsfrist vorüber.

Vor Gericht muß sie dennoch auftreten - als Zeugin. Das Gericht will von ihr hören, warum auch die taz den Text als strafrechtlich nicht relevant eingeschätzt hat. Zu einer solchen Bewertung war offenbar auch das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) gekommen. Am 21.4.89 teilte der LKA -Beamte Seeler der Angeklagten Schneider nach deren Darstellung am Telefon mit, seine Behörde habe die 'Hungerstreik-Infos‘ ausgewertet und keine Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände gefunden.

Wenn schon die zuständige Abteilung des Landeskriminalamts keinen Straftabestand sah, wie hätte Frau Schneider dann einen erkennen können? Diese Frage der Verteidigung konterte Staatsanwältin Dr.Klug, indem sie die Aussage des Beamten Seeler zunächst in Zweifel zog und allenfalls als Meinung eines einzelnen gelten lassen wollte. Weil aber eine solche LKA-Einschätzung für die Bewertung des subjektiven Verschuldens der Angeklagten allen Prozeßbeteiligten als wichtig erschien, wird Seeler nun auch als Zeuge gehört.

Was auch immer dabei herauskommt, die Bedeutung dieses Verfahrens ist davon unabhängig. Es geht um nichts Geringeres es als um die Pressefreiheit. Dazu Christiane Schneider: „Das Recht auf Pressefreiheit ist als Abwehrrecht gegenüber dem Staat erkämpft worden, der gerade in Deutschland eine lange Tradition hat, kritische und unbotmäßige Presse durch Zensur oder andere Verfolgungsmaßnahmen zu gängeln und zu unterdrücken.“ Daß das 'Hungerstreik-Info‘ gerade zu Zeiten des Hungerstreiks Teil der „kritischen Presse“ war und wichtige Informationen verbreitet hat, die der interessierten Öffentlichkeit aus keiner anderen Quelle zugänglich waren, ist leicht nachzulesen.

(Der Prozeß wird am 18.April fortgesetzt.)