Sehen spielt keine Rolle

■ Ein Blinder wurde zum Präsidenten des spanischen Privatfernsehens Tele 5 gewählt Deal mit italienischem Medienmulti Silvio Berlusconi

(epd/taz) - Dachte man bisher, Fernsehen sei nur etwas für diejenigen, die, wie das Wort doch glauben macht, auch die Fähigkeit zum Sehen besitzen, wird man nun von den Spaniern eines Besseren belehrt. Dabei klingt es erst einmal wie ein schlechter Scherz. Spaniens zweites Privatfernsehen, Tele 5, wird von einem Blinden geführt. Es handelt sich um Miguel Duran (35), den Präsidenten der Blindenorganisation ONCE (Organizacion Nacional de Ciegos de Espana), die mit 25 Prozent an der Gestevision Telecinco beteiligt ist.

ONCE, ursprünglich eine Selbsthilfeorganisation, die sich über den Losverkauf der in Spanien sehr populären Lotterie finanzierte, hat sich unter Duran zu einem Großunternehmen mit zwei Milliarden Mark Jahresumsatz entwickelt. Die Organisation ist schon am Kapital mehrerer Zeitungen beteiligt und will nun auch ins Fernsehgeschäft einsteigen. Tele 5 hat Anfang letzter Woche seine Testsendungen gestartet, der reguläre Betrieb soll am 3. März aufgenommen werden. Nun darf man allerdings nicht annehmen, daß hier eine völlig neue blindengerechte TV-Form getestet wird.

Der private Sender arbeitet nach bekanntem kommerziellem Strickmuster. Dafür sorgt der italienische Medienmulti Silvio Belusconi, der, ebenfalls mit 25 Prozent beteiligt, zum Vizepräsidenten des neuen spanischen TV-Kanals Tele 5 ernannt wurde. Als Gesellschafter des französischen Networks La Cinq und des deutschen Privatfernsehens Tele 5 (früher musicbox) beweist Berlusconi sich im europäischen Medienmarkt als beständiger Lieferant billiger Videoclip und Spielfilmware. In Spanien ist er bereits als Inhaber des größten spanischen Filmstudios (Etudios Roma) auf dem Markt vertreten.

Der Ernennung von Duran/Berlusconi waren harte Machtkämpfe vorausgegangen, die zum Teil in großformatigen Zeitungsanzeigen ausgetragen wurden, deren wahrer Hintergrund aber selbst für spanische Medienbeobachter nur schwer zu durchschauen ist.

Tatsache ist, das Geran Sanchez Ruiperez, Inhaber des spanischen Großverlages Anaya und erster Tele-5-Präsident Mitte Januar auf einer von ONCE einberufenen außerordentlichen Aktionärsversammlung des Senders seines Amtes enthoben wurde. Gleichzeitig unterstützten die Aktionäre den Berlusconi-Vorschlag, Duran zum Präsidenten und ihn, Berlusconi, zum Vizepräsidenten zu ernenen. Der entmachtete Sanchez Ruiperez will jetzt vor die Gericht ziehen, weil er Anlaß für die Vermutung hat, das ONCE/Berlusconi in Absprache mit einem dritten Aktionär heimlich mittels einer 60-Prozent-Mehrheit die Macht an sich reißen will.

Bei öffentlichen Auftritten Durans spricht man in Spanien mittlerweile vom „Blindenführer“ Belusconi, wobei man allerdings Belusconis Nächstenliebe überschätzt. Das ganze ist ein knallharter Mediendeal, bei dem beide Geschäftspartner - der von Geburt an Blinde und der Sehende

-in puncto Gerissenheit ebenbürtig sind. Dabei schützt in dieser Konstellation die fehlende Sehkraft den Tele-5 -Präsidenten davor, den gesendeten Schrott beurteilen zu müssen.

utho