Das konservative Lager bastelt an Einigkeit

■ Rühe macht der Ost-CDU und dem Demokratischen Aufbruch Dampf und fordert die Allianz gegen die SED / De Maiziere schließt eine Koalition mit der SPD nicht aus / Bayerns DDR-Reisender Streibl entdeckt den „Dritten Weg“ in der sozialen Marktwirtschaft

Berlin (taz/ap) - CDU-Generalsekretär Volker Rühe hat am Mittwoch in Ost-Berlin nach dem Rechten gesehen und dem konservativen Lager Dampf gemacht. Er traf sich dabei mit Spitzenvertretern der CDU-Ost und des Demokratischen Aufbruchs. Ziel seiner Mission ist die Vorbereitung einer bürgerlichen Allianz für die vorgezogenen Volkskammerwahlen am 18. März.

Rühe hatte zuvor bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der DDR am Dienstag abend auf einer Wahlveranstaltung des Demokratischen Aufbruchs vor 2.000 Zuhörern in der Erfurter Augustiner-Kirche gesprochen. Er appellierte an die Mitglieder des Aufbruchs, sich mit der DDR-CDU zu verbünden.

Rühe verlangte eine schnelle Entscheidung durch freie Wahlen, um dann mit einem gleichberechtigten, frei gewählten Partner in der DDR über die Zukunft Deutschlands reden zu können. Entscheidendes Wahlziel sei nicht das Erreichen von zwei oder drei Prozent mehr oder weniger Stimmen, sondern die völlige Ablösung der SED. Wer so tue, als beruhe die Misere in der DDR auf der individuellen Schuld einzelner, der irre. Das System sei der Fehler gewesen. Auf die europäischen Nachbarn eingehend, sagte Rühe laut 'adn‘, die Deutschen sollten deren Wünsche und Sorgen ernst nehmen. Man müsse ihnen klarmachen, daß mit den DDR-Bürgern 16 Millionen Demokraten hinzukämen.

Rühe versicherte, die Grenze bleibe offen, DDR-Bürger würden nicht ausgesperrt, „auch wenn uns das in der Bundesrepublik Schwierigkeiten macht, und das tut es“.

Der Vorsitzende der DDR-CDU, Lothar de Maiziere, sieht unterdessen „begründete Aussichten“ auf eine Zusammenarbeit mit der Bonner Unionspartei. Im Hessischen Rundfunk sprach der Ostberliner Politiker am Mittwoch außerdem von wachsenden Chancen für ein Wahlbündnis der bürgerlich -konservativen Parteien für die Neuwahl der Volkskammer am 18. März.

Zur Zusammenarbeit mit der bundesdeutschen CDU erklärte de Maiziere weiter, bei seinem bevorstehenden Gespräch mit Bundeskanzler Kohl müßten zwar noch Einzelheiten erörtert werden, aber es gebe gute Aussichten, daß es zu dieser Zusammenarbeit kommen werde. Auf die Frage nach einem möglichen Zusammenschluß der konservativen Kräfte in der DDR antwortete de Maiziere: „Ich denke, wir werden zu einer Allianz zusammenfinden, weil es nicht sehr sinnvoll ist, daß sich die bürgerlichen Kräfte zersplittern und sich mehr im Beschreiben ihrer Unterschiede gefallen als in der Beschreibung dessen, was sie eint und bindet.“

Die Möglichkeit einer großen Koalition mit der SPD nach der Wahl in der DDR schloß der Vorsitzende der Ost-CDU nicht aus. Ziel sei es, demokratische Verhältnisse im Lande zu schaffen, und wenn sich keine Mehrheiten fänden, wolle er auch eine große Koalition nicht ausschließen. Lieber seien ihm aber Verhältnisse, die die Unterschiede deutlich machten und auch zur Regierungsfähigkeit der einen oder anderen Seite führten.

In der DDR wurde am Dienstag ein Landesverband Sachsen der CDU gegründet. Nach einer Meldung der Ostberliner Nachrichtenagentur 'adn‘ wurde die Gründung auf Beschluß der Bezirksvorstände dieser Partei von Karl-Marx-Stadt, Dresden und Leipzig vollzogen. Der erste Landesparteitag der CDU -Sachsen findet am 3. März in Dresden statt.

Bayern und die sächsischen Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt wollen künftig eng zusammenarbeiten. Bereits in der zweiten Februarwoche soll hierfür eine gemischte Kommission gebildet werden, kündigte der Vorsitzende des Rates des Bezirks Dresden, Prof. Wolfgang Sieber, am Mittwoch beim Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl (CSU) an, der mit einer großen Wirtschaftsdelegation angereist war.

Streibl sagte, er sei überzeugt, daß man auf dem föderalistischen Weg „Hand in Hand in ein gemeinsames Deutschland gehen“ könne. Eine enge Zusammenarbeit sei jedoch nur möglich, wenn die DDR ihr Wirtschaftssystem grundlegend reformiere. Hierzu empfehle er die soziale Marktwirtschaft. „Das ist kein kapitalistisches System“, verblüffte Streibl seine Gesprächspartner, „das ist eigentlich der 'Dritte Weg‘ zwischen Kapitalismus und Sozialismus.“

Gleichzeitig bedauerte der CSU-Politiker das Vorziehen des DDR-Wahltermins. Dadurch würden die neuen bürgerlich -liberalen Gruppierungen benachteiligt.

Manfred Kriener