Wahlen in Costa Rica: Ein Rechtsruck ist bereits sicher

Die beiden möglichen Nachfolger des scheidenden Präsidenten Oscar Arias haben einiges gemeinsam: kein politisches Profil, frustrierende Erfahrungen in früheren Wahlkämpfen und kaum Ambitionen in der mittelamerikanischen Friedenspolitik / Keine Milderung des massiven Elends von über einem Viertel der Bevölkerung in Sicht  ■  Von Ralf Leonhard

Managua (taz) - Die aussichtsreichsten Kandidaten stehen am 4.Februar in Costa Rica gar nicht zur Wahl: Von allen Politikern des Landes schnitt bei einer jüngst veröffentlichten Umfrage die First Lady Margarita Arias am besten ab, gefolgt von ihrem Mann, Präsident Oscar Arias. Die beiden tatsächlichen Präsidentschaftskandidaten der Großparteien rangierten in der Wählergunst lediglich unter „ferner liefen“.

Der 61jährige Parteiveteran Carlos Manuel Castillo von der regierenden sozialdemokratischen „Partei der nationalen Befreiung“ (PLN) und der erst 41jährige Herausforderer Rafael Angel Calderon als Kandidat der „Partei der christlich-sozialen Einheit“ (PUSC) haben einiges gemeinsam: Beide sind im Rennen um die Präsidentschaft schon zweimal geschlagen worden, noch dazu von denselben Männern. Castillo erlag den späteren Staatschefs Luis Alberto Monge und Oscar Arias schon in der parteiinternen Vorwahl, der Christdemokrat Calderon jeweils bei den allgemeinen Wahlen.

Trotz der geringen substantiellen Unterschiede zwischen beiden politischen Positionen der Kandidaten hat Calderon heute die besseren Karten, denn nach acht Jahren PLN -Regierung scheinen die Wähler einen Regierungswechsel zu bevorzugen. Im Wahlkampf konzentrieren sich die Gegner auf die beliebten Themen Korruption und Drogenhandel - vor allem, um sich gegenseitig ihre diversen Verbindungen zum Drogenhandel vorzuwerfen.

Wer auch immer gewinnt, er wird es schwer haben, in die Fußstapfen Oscar Arias zu treten. Denn der Nobelpreisträger genießt ein für den Präsidenten eines so kleinen Landes ein außergewöhnlich großes internationales Prestige und hinterläßt zudem eine relativ gesunde Wirtschaft, zumindest, was die makroökonomischen Indikatoren betrifft. Der ehemalige Wirtschaftsminister und Zentralbankpräsident Castillo, der von Anfang an in allen Umfragen weit hinter dem Oppositionsführer lag, baute seinen Wahlkampf daher zuletzt immer mehr auf den Leistungen der Regierung auf.

Costa Rica verzeichnete im Vorjahr die sensationell niedrige Inflationsrate von 9,95 Prozent - eine der geringsten in ganz Lateinamerika - und eine Arbeitslosenrate von nur 3,8 Prozent. Das Bruttonationalprodukt wuchs 1989 um stolze 6 Prozent, während das durchschnittliche Wachstum in Lateinamerika bei 1,1 Prozent lag. Die Exporteinnahmen konnten während der Arias-Regierung von 1,4 Milliarden Dollar auf 1,89 Milliarden Dollar gesteigert werden.

Costa Rica ist eine Art Musterschüler des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, dem auch die Überschreitung des vereinbarten Haushaltsdefizits um 20 Millionen Dollar nachgesehen werden wird. Und auch die Regierung in Washington ließ sich die Stabilität Costa Ricas, das zwischen den beiden Krisenherden Nicaragua und Panama liegt, einiges kosten.

Gehorsam gegenüber den internationalen Finanzinstitutionen wird auch für die kommende Regierung die oberste Devise sein. Deswegen ist der wirtschaftspolitische Spielraum nur gering. Beide Spitzenkandidaten wollen die Privatisierung von Staatsbetrieben vorantreiben und die Exportproduktion fördern. „Alles wird teurer werden“, lautet jedoch die Befürchtung der Costaricaner, die wissen, daß ihre Landsleute seit Jahren über ihre Verhältnisse leben und eines Tages die Rechnung serviert bekommen. Höhere Steuern und ein schnellerer Inflationsrhythmus scheinen nun unausweichlich zu sein.

Die Wirtschaftsdaten täuschen nämlich über Strukturprobleme hinweg, die sich in den vergangenen Jahren eher noch verschärft haben. Rafael Angel Calderon spricht von 700.000 Menschen - mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung -, die unter der Armutsgrenze leben. Bei sechs von zehn Arbeitern, so Calderon, reicht das Gehalt für den Erwerb des Grundwarenkorbes nicht aus. Nach Schätzungen von Sozialforschern haben 250.000 Costaricaner keine stabile Arbeit und obwohl die Regierung sich rühmt, in vier Jahren 80.000 Wohnungen gebaut zu haben, müssen 300.000 Familien in menschenunwürdigen Behausungen leben. Besonders benachteiligt sind Kleinbauern, denn bei der Kreditvergabe werden Großproduzenten bevorzugt, die für den Export arbeiten. Dabei ragt vor allem die extensive Viehwirtschaft heraus, die die Hamburger-Ketten in den USA versorgt: Sie beansprucht 50 Prozent des fruchtbaren Landes und erhält 85 Prozent der landwirtschaftlichen Kredite. Reis und andere Grundnahrungsmittel müssen hingegen nach Costa Rica importiert werden. Allein in der Nordwestprovinz Guancaste, einer Hochburg der Rinderzucht, haben in den letzten Jahren 30.000 überschuldete Kleinbauern ihre Parzellen verkaufen müssen.

Der scheidende Präsident Oscar Arias spielt in Zentralamerika eine bedeutende Vermittlerrolle. In seinen ersten Amtsjahren wagte er es sogar, sich gegen die USA aufzulehnen, die Costa Rica als Stützpunkt für bewaffnete Aktionen gegen Nicaragua mißbrauchten. Seine Nachfolger werden dieses Erbe kaum antreten, sondern die Außenpolitik sicher kleiner schreiben. Für Nicaragua bedeutet der wahrscheinliche Rechtsruck eine noch größere Isolierung in der Region. Die sozialdemokratische PLN gehört zu den konservativsten Mitgliedern der Sozialistischen Internationale, und die christdemokratische PUSC ist gemeinsam mit der panamaischen PDC im rechten Flügel der Christdemokraten Lateinamerikas anzusiedeln. Während die PLN unter anderem von der Friedrich-Ebert-Stiftung beraten und unterstützt wird, genießt die PUSC nicht nur die Protektion der Konrad-Adenauer-Stiftung, sondern auch den Geldsegen Washingtons, der über die CIA-nahe Stiftung „National Endowment for Democracy“ kanalisiert wird.

Da sich die öffentliche Wahlkampffinanzierung nach dem jeweils letzten Wahlergebnis richtet, sind die fünf Kleinparteien in der Öffentlichkeit kaum präsent. Voraussichtlich hat nur eine regionale Bauernvereinigung der Provinz Cartago Chancen auf einen Parlamentssitz. Die kommunistische Vanguardia Popular hat sich vor fünf Jahren gespalten und ist durch die jüngsten Entwicklungen in Osteuropa noch mehr als früher ins Abseits geraten. Ein Bündnis des pragmatischeren Flügels mit dem ehemaligen Präsidenten Rodrigo Carazo, der das Zweiparteiensystem durchbrechen wollte, scheiterte an kleinkarierten persönlichen Konflikten.