Vom Ob zum Wie

Modrow, die deutsche Einheit und die Grün-Alternativen  ■ G A S T K O M M E N T A R

Die Erklärungen von Gorbatschow und Modrow zur „deutschen Einheit“ markieren einen Wendepunkt. Die Auseinandersetzung geht jetzt nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“, um Tempo und Ausgestaltung der Verbindung beider deutscher Staaten.

Nicht die große Diplomatie bestimmt seit dem Herbst 89 die deutsche Dynamik, sondern „die Straße“, die Kombination von fortdauernder Massenemigration und dem Ruf nach „Wiedervereinigung“ als Kurzformel für die sozialen und politischen Wünsche gerade der Arbeiterklasse in der DDR.

Auch wenn es bitter ist, weil wir damit andere Hoffnungen verbanden: Die deutsche Fusion ist zuallererst Ergebnis der demokratischen Revolution in der DDR. Es wäre töricht, diese Entwicklung mit allen Schrecken der deutschnationalen Vergangenheit zu identifizieren. Noch ist nicht entschieden, welchen Charakter, welche Formen und Inhalte der kommende Vereinigungsprozeß haben wird. Dabei müssen wir in die Waagschale werfen, was mittlerweile im Westen wie im Osten an demokratischer, pazifistischer, ökologischer Kultur und Politik gewachsen ist.

Woran können wir uns orientieren?

-Je heftiger die deutsch-deutsche Dynamik wird, desto wichtiger wird die gesamteuropäische Zusammenarbeit. Die Zeit ist reif für eine neue Runde der KSZE als Dach für das „gemeinsame europäische Haus“.

-Neutralisierung einerseits, Wiedervereinigung in der Nato andererseits sind falsche Alternativen. Die Forderung nach „Neutralität“ setzt das Fortbestehen der Blöcke voraus. Worum es jetzt geht, ist eine europäische Friedensgemeinschaft jenseits von Nato und Warschauer Pakt.

-Das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten ist nur dann kein friedenspolitisches Risiko, wenn es mit ihrer Entmilitarisierung verbunden wird.

-Ein zentralistisch geformter deutscher Nationalstaat wäre ein historischer Rückfall. Gerade mit Blick auf die europäische Einigung ist eine paritätische Konföderation zwischen beiden Staaten die bessere Alternative, sie könnte ein Modell für Gemeinsamkeit und Vielfalt werden.

Eine entscheidende Konfliktlinie wird sein, wieweit es gelingt, die ökonomische Modernisierung der DDR in ökologische Bahnen zu lenken: Die aktuelle Auseinandersetzung um die Atomenergie ist dafür eine erste Probe.

Ohne schnelle wirtschaftliche Hilfe, einen „Lastenausgleich“ zugunsten der DDR, braucht allerdings über Politik nicht mehr geredet zu werden: Dann kommt der Anschlußkonkurs.

Ralf Fücks (Sprecher des Bundesvorstandes der Grünen