Mit dem Motorsegler in 234 Minuten rund um Berlin

■ West-Berliner umrundet mit Motorsegler Berlin / Wegen des Vier-Mächte-Status bislang Flugverbot / DDR und BRD erteilten Erlaubnis

Was in jedem anderen sportflugtreibenen Land ein kaum beachteter Spazierflug an einem sonnigen Februartag mit frühlingshaften Temperaturen gewesen wäre, geriet knapp drei Monate nach der politischen Wende in der DDR zu einem deutsch-deutschen Politikum. Am vergangenen Samstag hatte der westberliner Sportflieger Ulrich Weil mit Genehmigung der Verkehrsministerien beider deutscher Staaten das Stadtgebiet von Gesamt-Berlin an seiner äußeren Peripherie in zwei Stunden und 54 Minuten umflogen. Auch hier war das vor einem Vierteljahr noch Undenkbare plötzlich möglich geworden.

Westberliner Sportfliegern war, seitdem die Bundesrepublik 1955 die Lufthoheit wiedererlangte, wegen des Vier-Mächte -Status in Berlin die Ausübung ihres Sports verwehrt. Sie mußten mühevolle Anfahrtwege und über mehrere hundert Kilometer in Kauf nehmen, um „Exil-Flugplätze“ in der Bundesrepublik zu erreichen. So fliegen die Piloten wie der 43jährige Ingenieur Ulrich Weil vom Flugsport-Club Siemens e.V. 1928 aus Berlin Spandau zum Beispiel in Porta Westfalica. Dies ist der Club, dem der 43jährige Ingenieur Ulrich Weil angehört, der sich in den Kopf gesetzt hatte, die Stadt in der er lebt, mit seinem Motorsegler zu umrunden.

Die Chancen der Verwirklichung für das Unternehmen standen denkbar schlecht: Der Motorsegler vom Typ „Pikkolo“ mit einem 23 PS-Motor und ausklappbarem Propeller trägt das bundesdeutsche Kennzeichen D-KHOY, also ist das Bundesverkehrsministerium zuständig, um die Ausfuhrgenehmigung eines Flugzeuges in die DDR zu erteilen. Der Pilot Weil ist Westberliner und will vom Flugplatz Friedersdorf, 37 Kilometer Luftlinie südöstlich vom Berliner Stadtzentrum in der DDR gelegen, starten, Berlin umrunden und dort auch wieder landen. Doch es gibt noch kein deutsch -deutsches Luftfahrtabkommen, das solche Flüge regeln würde.

Der Ritt durch die Instanzen beider deutscher Staaten, der am 20. November vergangenen Jahres begann, war mühselig aber nach acht Wochen erfolgreich. Das Bundesverkehrsministerium erteilte die für den geplanten Flug notwendige Ausfuhrgenehmigung und die Hauptverwaltung für zivile Luftfahrt beim Ministerrat der DDR genehmigte den Flug der im Uhrzeigersinn von Friedersdorf über Storkow, Märkisch -Buchholz, Luckenwalde, Beelitz, Großkreuz, Liebenwalde und Fürstenwalde wieder zum Ausgangsflugplatz zurückging. Die DDR-Flugsicherung hatte die Flugrute und eine Höhe von 300 Meter vorgeschrieben. „Die DDR-Zollbeamten ließen sich kurz das auf einem Spezialanhänger mitgeführte Flugzeug zeigen und erklärten, sie würden gerne mal mitfliegen wollen“, berichtete Weil von der Abfertigung in Marienborn.

Am Samstag um 10.02 Uhr schob Weil dann den Gashebel seiner Maschine nach vorne, rollte auf der Graspiste des Flugplatzes vom Flug- und Fallschirmsportverband der DDR entlang und flog mit zunächst westlichem Kurs davon. Er hatte die Auflage, bei seinem 286 Kilometer langen Flug um Berlin sich mehrmals bei der Flugsicherung vom Flughafen Schönefeld zu melden. Um 12.56 Uhr landete er wieder auf seinem Ausgangsflugplatz.

Um nicht in letzter Minute noch Schwierigkeiten zu bekommen, hatte Weil sich schon vor Wochen beim amerikanischen Chief of Air Traffic Control in Berlin -Tempelhof gemeldet und ihn von seinem Flugvorhaben unterrichten wollen. Doch der Amerikaner erklärte, er fühle sich für solche Flüge nicht zuständig. Auch der leitende Fluglotse auf dem Kontrollturm des Flughafens Tegel erklärte dem Berliner Piloten, er solle das alles mit der DDR regeln, das reiche aus. Die alliierte Luft-Kontrollzone, genau 32 Kilometer um das alliierte Kontrollratsgebäude in Schöneberg, endet genau fünf Kilometer vor dem Flugplatz Friedersdorf.

„Es war schon immer mal mein Traum, Berlin zu umfliegen“, erklärte der gebürtige Saarländer nach der Landung und fügte hinzu: „Aber das, was man am wenigsten erwartet, davon träumt man am liebsten.“

Helmut Fleischer (dpa)