Rushdie meldet sich zu Wort

■ Rushdie Appell an Moslems: Satanische Verse prüfen

London (afp/taz) - Nicht nur seinen Lesern, auch Rushdie selbst fällt es schwer, angesichts der Reaktionen auf seine Satanischen Verse auf der „Fiktionalität von Fiktion“ zu bestehen. Die Ebene des Phantastischen und die so erzeugte Distanz von der Aktualität seiner umstrittenen Satanischen Verse sei darauf angelegt gewesen, eben jenen Anstoß zu vermeiden, den er damit erst erregte. In einem Artikel, der in 'The Independent on Sunday‘ veröffentlicht wurde, erklärte Rushdie, er habe sein Werk geprüft.

„Ich bin der ehrlichen Überzeugung, daß es keinen Satz enthält, den ich nicht rechtfertigen kann. Ich würde es gern mit jedem, der es wünscht, durchgehen und über jede Seite diskutieren. Allerdings ist es schwer, eine solche Diskussion in einer Atmosphäre der Gewalt zu führen“, so Rushdie. Er hat an alle „einfachen und fairen“ Moslems appelliert, sein Buch in einer Atmosphäre der Ruhe und Vernunft erneut zu lesen.

Der Autor war vor einem Jahr vom iranischen Revolutionsführer Chomeini mit der Begründung zum Tode verurteilt worden, die Satanischen Verse seien eine Gotteslästerung. Rushdie ging in dem Text, der drei ganze Zeitungsseiten lang ist, auf alle umstrittenen Passagen seines Buches ein und erklärte, warum der Vorwurf der Blasphemie seiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt ist.

„Um es so einfach wie möglich zu sagen: Ich bin kein Muslim. Es ist ein bizarres Gefühl und vollkommen unangemessen, als eine Art Ketzer beschrieben zu werden, nachdem ich mein ganzes Leben als säkularisierter, pluratistischer und eklektischer Mensch gelebt habe. Ich bin mit einer Sprache verhüllt und beschrieben worden, die mir nicht entspricht. Den Vorwurf der Blasphemie akzeptiere ich nicht, denn, wie jemand in den Satanischen Versen sagt, „wo kein Glaube ist, ist auch keine Blasphemie“.

Rushdie distanzierte sich von der rechtsextremen Nationalen Front in Großbritannien, die sich bei rassistischen Aktionen seines Namens bedient hatte. Bei allen, die ihn unterdessen verteidigt und unterstütz haben, bedankt sich der zur Unsichtbarkeit verbannte Autor, selbst bei der britischen Regierung. Deshalb sei er allerdings noch kein Tory geworden, aber das sei eben Demokratie. Hinzu fügte Rushdie den Wunsch, daß der ihm gewehrte Schutz für jeden bedrohten Bürger bereitgestellt werden sollte. Rushdie, der aus Furcht vor einer möglichen Ausführung der über ihn verhängten Todesstrafe seit einem Jahr im Verborgenen lebt, kündigte die Veröffentlichung eines Kinderbuchs und einer Essaysammlung an. Demnächst werde er mit einem neuen Roman beginnen.

sl