Visionen einer WG-Alternative für 30 über 30

■ Projekt „Anders Wohnen“ sucht neue Mitglieder / Jede Menge Wohnfrustrierte trafen sich und träumten

Die Wohnung ist zu winzig, die Nachbarn nerven, der Vermieter spielt nachts Rumba und in der WG herrscht seit drei Jahren Grabenkrieg - solche oder ähnliche Probleme plagten wohl die meisten der 70 Leute, die sich am Montagabend in dem kleinen Veranstaltungsraum des Bundes Deutscher Pfadfinder drängelten. Dort veranstalteten nämlich die Leute des Projektes „Anders Wohnen“ ein Interessententreffen. Gleich zu Beginn erläuterte Mitorganisator Hannes Wähner den staunenden Wohnfrustrierten, wie er und seine Wohnkumpanen sich eine alternative Wohnkultur vorstellen: „Wir wollen mit 30 Leuten in der Stadt zusammenwohnen und mit so einem Projekt eine Alternative zu den Wohngemeinschaften schaffen. Jeder Mitbewohner soll aktiv an der Gestaltung des Wohnraumes mitarbeiten, in dem wir dann nach ökologischen Prinzipien leben wollen.“

Auf die Idee sind die Anderswohner nicht beim Blättern in „Schöner wohnen“ gekommen, sondern durch vergleichbare Projekte in Berlin, Stuttgart, Konstanz und Hannover. Bilder von diesen Wohnprojekten konnten die Interessenten bei einem Diavortrag bewundern, den die Projektinitiatoren schon vor zwei Jahren für ihr erstes Interessententreffen zusammenstellten. Damals fanden sich 30 Leute zusammen, die Hälfte sprang im Laufe der Zeit wieder ab. Mechthild Biele vom Projekt erklärt warum: „Es gibt viele Leute, die eine kleinere Lösung gewählt haben und lieber in eine WG gezogen sind, als bei so einem großen und auch arbeitsintensiven Projekt mitzuarbeiten. Es gibt auch viele Leute mit Kindern, die nicht mehr länger mit einem Wohnungswechsel warten konnten. So blieben nach zwei Jahren 12 Leute übrig. Alle so um die 30 Jahre alt.“ Das war auch das Alter der anwesenden Interessierten. Nur in der letzten Reihe saßen zwei etwas ältere Herren und machten sich Gedanken über die Zukunft des Wohnprojektes: „Die sind ja alle so jung. Was ist in zehn Jahren, wenn die alle Kinder kriegen, wo sollen die denn hin?“ - „Ach! Schau‘ dir die an, die kriegen keine Kinder“, versuchte der andere den Besorgten zu beruhigen. Aber der wollte dies nicht gelten lassen und fragte den vortragenden Hannes Wähner, wie es den in dem Projekt mit den Kindern bestellt sei. „Wir wollen, daß alle Generationen in dem Haus zusammenleben. Alte und Kinder. Für die Kinder wird es schon genug Platz geben. Wir ziehen ja nicht mit den 30 Leuten in ein Altbauhaus, sondern in ein lehrstehendes Fabrik- oder Verwaltungsgebäude.“

Die Anderswohner haben sich auch schon ein altes Gemäuer als ihr Traumschloß ausgeguckt. „In der Kornstraße steht eine seit acht Jahren verlassene Wäsche-Fabrik. Der Inhaber hat schon Verhandlungen mit einer Supermarktkette geführt, die dann aber geplatzt sind. Wir haben ihm 550 000 Mark geboten, aber er verlangt 950 000 Mark. Das ist mehr als das Doppelte des Wertes.“

Verbündete haben die Wohnprojektler im Ortsamtsbeirat Neustadt gefunden. Der beschloß bei nur einer Enthaltung, das Wohnprojekt zu unterstützen. Nun fehlen ihnen noch Verbündete in den Behörden und Ämtern. Von denen erhoffen sie sich die Finanzierung ihres ehrgeizigen Projektes. „Wir haben mit Herrn Plath vom Stadtplanungsamt telephoniert“, erzählt Stefan Biele, „und der würde zwei Millionen Mark zur Verfügung stellen mit einem Zinssatz von 4,5%. Allerdings nur, wenn wir den Wohnraum die ersten fünf Jahre Aus- und Übersiedlern zur Verfügung stellen.“ Aber Übersiedler können sich die Projektwohner nur in Maßen in ihrem Traumschloß vorstellen. „Vielleicht vier“, meint Stefan Biele, „aber nicht mehr.“ David Safie

Projekt Anders Wohnen:

Stefan Biele, Weizenkampstr. 41

Telefon: 59 37 23