LeserInnen gesucht

■ 'neue depesche‘ will auf den Zeitungsmarkt / Zielgruppe: Liberal-fortschrittliche Intellektuelle in den 30ern

Hamburg (taz) - Der 'Spiegel‘ liefere zuwenig reflexiven Journalismus, 'Die Zeit‘ sei zu betulich - deshalb wollen der Grünen-Gründer Jo Müller und sein Partner Matthias Ginsberg (zuletzt 'Spiegel'-Geschäftsführer) mit einer Wochenzeitung in die von ihnen vermutete Marktlücke stoßen. Die 'neue depesche‘ soll in Berlin gemacht werden. Als Auflagenziel hat sich die Müller&Ginsberg GmbH vorerst eine Grenze von 100.000 verkauften Exemplaren gestellt, für die Finanzierung werden ab jetzt Kommanditisten gesucht. Sobald zwölf Millionen Mark zusammen sind, wollen die beiden loslegen.

Am journalistischen Konzept haben, wie es heißt, eine Reihe von JournalistInnen mitgearbeitet, von denen einige auch für die zukünftige Redaktion zur Verfügung stehen wollen. Namen, etwa für die Chefredaktion, werden jedoch noch nicht genannt. Die PartnerInnen seien noch bei anderen Blättern, „auch der direkten Konkurrenz“, beschäftigt. Lediglich die Frankfurter Autorin Cora Stephan („Seit dem 9.November liebe ich wieder die taz“) und ihre Kollegin Edith Kohn stellten sich als publizistische Gründermütter gestern in Hamburg der Öffentlichkeit.

Als Zielgruppe haben die Blattmacher in spe - mit einem abschätzenden Seitenblick auf die Leserschaft der Konkurrenz - liberal-fortschrittliche Intellektuelle in den 30ern ins Auge gefaßt.

Wie schon bestehende Blätter so denkt auch die 'neue depesche‘ an einen Vertrieb in der DDR. Finanziers und Autoren sollen auch im anderen deutschen Staat angesprochen werden. Die größten Geldbrocken erhofft man sich jedoch von liberalen Multimillionären aus dem Westen - und notfalls auch von anderen Verlagen. Das Mitbestimmungsrecht der Kommanditisten soll jedoch begrenzt werden.

Axel Kintzinger