: GANZHEITLICHES TRAUMWANDELN
■ Klausbernd Vollmar referiert die Mysterien des Traums, Gott + Geld, Sex mit Traumführern, das Hohelied des guten Menschen
By a route obscure & lonely,
Haunted by ill angels only,
Where an Eidolon, named NIGHT,
On a black throne reigns upright,
I have reached these lands but newly
From an ultimate dim Thule
From a wild weird clime that lieth, sublime,
Out of SPACE - out of TIME. E.A. Poe, „Dreamland“
„...more than anything in the whole world,
I HATE people who confide,
I had the weirdest dream last night...“ (J.Waters, „Crackpot“
Melancholisch stimmen den der „Ideologie der Aufklärung“ (Vollmar) Verhafteten die Verabschiedung des „souveränen Subjekts“ & die Betrachtung der Verkehrung von Selbststrategien in Technologien, die, als Materialisierungen psychischen Begehrens begriffen, sich der totalen Ausrottung des Wilden, Fremden, Anderen verschrieben + eine psychische weiße Wüste geschaffen haben. Inzwischen geht die Technik den Anderen des Diskurses, den Körper, direkt an, setzt auf seine völlige Verwertbarkeit. Damit ist nicht nur jene Liquidierung des Leibes gemeint, dessen sich der internationale Organhandel & multinationale Gen-Tech -Firmen befleißigen, nein, auch die Libidoströme müssen für die Produktion von Mehrwert herhalten, werden in Kapitalströme umgeleitet.
Offensichtlich obszön ist das bei Pornographie zu erkennen
-industriell gefertigte Massenprodukte liefern Bilder, ausgestanzte Abzüge kollektiver Wünsche, die sich der Porno -Junkie ins Hirn brennt -, doch ebenso obszön sind die flickernden Visionen, die die Werbung liefert, um zu verkaufen: „We are the world!“ Obszön schließlich auch jene breite Attacke, die auf ihre Art den Anderen zu Geld machen will & sich „New Age“ schimpft: Alles schreit nach Phantasie & der Gehirnweichspüler Michael Ende verkauft seine triste Vorlage davon. Gemäß des New-Age-Dreiklangs „Pragmatisch, Praktisch, Gut“ haben sich die verschiedensten Personen auch der Liquidmachung von Träumen, diesem „Schatz“ & „Hort“ der „Phantasie“ angenommen & zu diesen zählt auch Klausbernd Vollmar.
Vollmar studierte Psychologie, „außer Mathematik & Disziplin habe ich dort nichts gelernt“, arbeitet nun als Heilpraktiker, Diplompsychologe & Therapeut, gründet & leitet das Institut für analytische Körperarbeit (IFAK) in England & verfaßte einige Bücher unterschiedlicher Qualität, darunter auch „Dreampower“, dessen Einleitung mit den Worten schließt: „Ich betrachte hier als Traum, was Sie alle auch als Traum bezeichnen würden, & so brauchen wir hier nicht länger bei langweiligen Definitionen & toten Begriffsbestimmungen zu verweilen.“
Nun kennen wir bestimmt all die Anekdoten über große Männer & Frauen, die in ihren Träumen Lösungen für das Problem erfuhren, mit dem sie sich gerade abquälten. Schön, nicht jeder ist ein Einstein oder ein Niels Bohr & die Probleme der Mehrzahl der Bevölkerung liegen wohl eher auf Gebieten wie „Sollen wir das Wohnzimmer mit der Röschentapete oder eher mit der abstrakten verschönern?“ + „Soll ich mir lieber noch einen Hamburger oder statt dessen eine Cola kaufen?“ doch auch bei diesen Fällen kann eine Auseinandersetzung mit den eigenen Träumen zur persönlichen Entfaltung & einer „ganzheitlichen Person“ führen.
Denn wie Vollmar weiß, besteht das Traummaterial nicht nur aus Bewegungen der persönlichen Psyche, sondern auch aus diesem kostbaren Schatz des „kollektiven Unbewußten“ (C.G. Jung), darin der „Horror“ (Stoert) der Menschheitsgeschichte lagert. Mit den dort agierenden Archetypen aber in Kontakt zu treten, ist weder leicht noch ungefährlich, ja, vielmehr sträubt sich das „bewußte Ich“ dagegen, in dem Ozean akausaler Bilderfluten unterzugehen. Doch Hilfe ist nah ... es gibt „Traumführer“. Man stelle sich diese als personifizierte Fragmente des Unbewußten vor, mit denen es möglich ist zu kommunizieren & die einen durch die innere Landschaft geleiten. (Das erinnert an all die Horden von Dämonen, die in den mittelalterlichen Köpfen für Verwirrung sorgten & die sich nun via channeling wieder Gehör zu schaffen suchen.) Sich dem Unbewußten „ehrfürchtig, demütig & vorsichtig“ nähernd, bringen die Traumführer auch schon mal Kunde von den „Archetypen“, jenen Kräften, die gar mächtig in den Geschicken der Menschheit walten.
Bei soviel Ungewißheit & Mysterium liegt es nahe zu fragen, ob der Traum nicht wesentlichere Realität beinhaltet denn der Alltag. Oder anders gesagt: Strukturiert das wachbewußte „Ich“ mehr oder minder den Traum, oder liefert der Traum die Vorgaben für die Gestalt des „Ich“? Ist der Traum ein Phänomen des Bewußtseins, oder ist das Bewußtsein nicht vielmehr ein winziges Fragment der mächtigen Tätigkeit des Unbewußten? Sag good bye zum „souveränen Subjekt“.
Offensichtlich liegt dort unten etwas „Erhabenes“ (Derrida“ verborgen & richtig schlußfolgert Vollmar, da GOtt anzusiedeln. Er bringt eine Menge Beispiele aus der Antike, von den Orakeln, bei denen Seine Stimme im Traum zu hören war. Zudem sei GOtt bekanntlich „Schöpfer der Welt“, somit auch Schöpfer der Bilder & die kommen ja aus dem Unbewußten. Das verblüfft. Hatte ich doch bisher angenommen, das Unbewußte würde der Hölle entsprechen. Jenem Ort, an dem Figuren wie Hekate & Hel hausen, wohin man den Anderen des Diskurses verbannt hat. Vollmar aber sieht den Teufel an ganz anderer Stelle wirken: so sich nämlich das „Ich“, quasi luzifergleich, gegen GOttes Welt & Wort des Traumes auflehne & sage: das kann ich auch. Das geht fei net.
Vollmar verdeutlicht dies anhand des Phänomens des „luziden Traums“. Es geht hierbei darum, sich während des Träumens bewußt zu sein, daß man träumt. Auf der Grundlage der Bewußtheit ist es dem „Ich“ möglich, aktiv in das Traumgeschehen einzugreifen, den Traum & seine Szenerie zu steuern. Um diese Fähigkeit zu erlangen, bedarf es aber gleich gesagt - langen Trainings, viel Geduld & Disziplin. Wie dem auch sei, Vollmar sieht hier „einen gefährlichen Willen zur Macht, der in allen magischen Künsten zur Zeit anzutreffen ist & wohl nur von den sozialen & politischen Verhältnissen unserer Zeit her zu verstehen ist: Verarmungstendenzen, Kriegsgefahren & brutaler Konkurrenzdruck (nicht zu vergessen die neue Variante der Apokalypse, die ökologische, von deren Finalität her es möglich ist, einen neuen „Text“ zu schreiben, d.A.) erzeugten immer schon schwarzmagische Tendenzen, wie es das späte Mittelalter deutlich dokumentiert.“ Werden wir demnächst wieder fröhliche Volksfeste erleben, wenn die bösen „luziden Träumer“ verbrannt werden? Für Vollmar nämlich liegt das Problem so: „Ist ein solcher Eingriff in die Traumwelt nicht Ausdruck fehlenden Vertrauens? Liegt die heilsame Wirkung von Träumen nicht gerade darin, daß man sich ihnen nach dem Motto 'Dein Wille geschehe‘ hingibt? Man übergibt sich dabei seiner Seele, den Urkräften des Unbewußten.“ So geht das.
„Die tatsächliche potentielle Vernichtungskraft der Atombombe spielt dem Unbewußten direkt in die Hände. Schon das oberflächliche Studium des Traumlebens & der Phantasien von Geisteskranken zeigt, daß Weltvernichtungsvorstellungen im Unbewußten latent sind... Mit dem durch die Magie der Wissenschaft zerstörten Nagasaki ist der Mensch bisher der Verwirklichung von Träumen am nächsten gekommen, die sich sogar während der sicheren Bewegungslosigkeit des Schlafes gewohnheitsmäßig zu Angstträumen entwickeln.“ (Glover; Krieg, Sadismus & Pazifismus)
„Der Prä-Dritte: für Traven wurde diese Epoche vor allem durch ihre moralischen & psychologischen Umkehrungen gekennzeichnet, durch ihr Bewußtsein, daß die Geschichte & insbesondere die nahe Zukunft - die beiden Dekaden 1945-65 am bebenden Vulkankrater des Dritten Weltkrieges schwebte. Selbst der Tod seiner Frau & seines sechsjährigen Sohnes bei einem Autounfall schien nur Teil dieser ungeheuren Synthese des historischen & psychischen Null zu sein, die Irrsinnshighways, auf denen sie allmorgendlich zu Tode kamen, die Vormarschchausseen zum globalen Armageddon.“ (Ballard; Der finale Strand)
„Das ist nicht tot, was träumend ruht. (...) Mögen sich die Toten erheben.“ (Alhazred; Necronomicon)
„Wir stehen hier alle unter dem Bann. Ob wir wollen oder nicht, es vollzieht sich ein notwendiges Geschick an uns. (...) Viele, ach wie viele, wollen da nicht immer mittun, besonders Neuankommende stemmen sich dagegen. Wird aber das innerliche Auflehnen gegen das Unabänderliche zu stark, dann kommt der Klaps; den spürt dann jeder.“ (Kubin; Die andere Seite)
Nur einige Beispiele dafür, daß der Andere keineswegs nur darauf wartet, jenseits des Diskurses gefunden zu werden, um dann endlich auf den „neuen Menschen“ zu seiner Ganzheitlichkeit zu führen. Eine der Verfechterinnen des luziden Träumens übrigens geht soweit zu fordern, es sei nötig, mit den im Traum erscheinenden Wesenheiten sexuellen Verkehr bis zum Orgasmus auszuüben. Das klingt nach den mittelalterlichen Incubi & Succubi, ich weiß nicht, ob man dadurch „ganz“ wird & Vollmar bemängelt daran die Orgasmusfixiertheit. Ach.
Ich könnte noch die Geschichte eines befreundeten Pärchens erzählen, die felsenfest überzeugt sind, man könne in die Träume anderer Personen eindringen. Sie sagen, manche okkulte Gruppen würden so verfahren, um die betreffende Person zu testen. Sei's drum. Davon hält Vollmar auch nicht viel. In seinem heutigen Vortrag wird er unter anderem die Beziehung zwischen Traum & Realität, Bewußtsein & Unbewußtem, astrologische Traumtypen, Traumspiele & Traumerinnerungen & den luziden Traum referieren. Morgen & übermorgen schließt sich ein Workshop an, bei dem „richtiges Träumen“ erarbeitet werden soll.
Vielleicht sollte man ihn bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß der von ihm zitierte Julius Evola in Italien als einer der Vordenker der dortigen Neuen Rechten gehandelt wird.
„First you dream, than you die.“ (Cornell Woolrich)
R.Stoert
Heute, Freitag, 20 Uhr, Vortrag im Zeitlos-Zentrum, Akazienstraße 27, 1-62. 15 DM kostet's. Morgen, Samstag, & übermorgen, Sonntag, findet der „Workshop“ am gleichen Ort statt.
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