Euro-Sozis siegessicher

■ Kongreß in Berlin / DDR-SPD kriegt Beobachterstatus

Berlin (taz) - Aus der Konkursmasse der osteuropäischen Planwirtschaften will die westeuropäische Sozialdemokratie den ganz großen Deal machen. Auf dem zweitägigen Kongreß des Bundes sozialdemokratischer Parteien in der Europäischen Gemeinschaft, der gestern in Berlin begann, dominierten die siegesgewissen Töne. „Nicht der Sozialismus ist diskreditiert, sondern ein bürokratisches System“, sagte Gastgeber Walter Momper unter dem Beifall der Teilnehmer aus 24 sozialdemokratischen Parteien und 22 europäischen Ländern. „Wir Sozialdemokraten haben nicht unwesentlich zum Sturz der Bastillen beigetragen“ lobten sich gestern im Reichstag die westeuropäischen Parteiführer gegenseitig. Als bessere Alternative dienen sie Osteuropa, das mit zahlreichen Delegationen auf dem Kongreß vertreten ist, ihren „demokratischen Sozialismus“ an. Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, Neil Kinnock, hielt ihn gar für die „einzige Form des Sozialismus, der überlebensfähig“ sei. Einig waren sich die Versammelten denn auch in dem Wunsch nach Erweiterung ihres Bundes. Ohne Gegenstimmen gewährten sie der DDR-SPD den Beobachterstatus. Vorgeschlagen hatte die schnelle Beförderung der DDR-Sozialdemokraten das Präsidium des Bundes, der zugleich die stärkste Fraktion im Europa-Parlament repräsentiert.

Dabei winken den frischgebackenen Sozialdemokraten glänzende Perspektiven. Denn wo immer der Bund in den letzten Jahren tagte, hinterließ er glückliche Wahlgewinner: Beim letzten Mal in Berlin, Ende 88, war Momper noch Oppositionsführer. Kurz nach dem letzten Treffen in Lissabon im vergangen Jahr wurde Jorge Sampaio, Generalsekretär des Partido Socialista, Bürgermeister der portugiesischen Hauptstadt. Das nächste Wahlziel hieße DDR, brachte es gestern Hans-Jochen Vogel auf den Punkt. Auf der Konferenz, die bis heute dauert, steht das Verhältnis der EG zu Mittel und Osteuropa sowie die Zukunft der Gemeinschaft im Mittelpunkt.

Dorothea Hahn