Asbest: Der tödliche Staub

■ Trotz Produktionsende 1994 bleiben die gesundheitlichen Risiken bestehen

Von 1991 an wird im Hochbau kein Asbest mehr verwendet, ab 1994 will die Industrie vollständig auf diese hochgiftige, krebs- erregende Substanz verzichten. Damit schließt sich rein äußerlich die gut 120-jährige Geschichte der industriellen Asbestverwertung. Die gesundheitlichen Gefahren dieser Substanz bleiben weiter akut: Rund 30 Jahre wüten die krebserregenden Partikel im menschlichen Körper, bevor sie als Geschwüre symptomatisch werden. Die bisher verwendeten asbesthaltigen Stoffe wie Bremsbeläge, Zementplatten und Rohrleitungen wirken in der Umwelt weiter. Durch Abrieb, Verwitterungen und andere Umwelteinflüsse werden die tödlichen Fasern in die Atmosphäre abgegeben.

Zur Geschichte

1871 entsteht im Deutschen Reich die erste asbestverarbeitende Fabrik, 30 Jahre später stellt ein britischer Arzt erstmals einen Zusammenhang zwischen dem Stoff und einer Lungenerkrankung her: der Asbestose. 1933 werden die Zusammenhänge zwischen Lungenkrebs und dem Verursacher Asbest wisenschaftlich nachgewiesen, weitere drei Jahre später wird Asbestose als Berufskrankheit anerkannt. Die verheerenden Folgen des Giftes auf den menschlichen Körper werden immer evidenter: In den fünfziger Jahren wird erstmals Asbest als Verursacher einer organischen Krankheit nachgewiesen, die jährliche Produktion steigt derweil munter an. Während die Weltgesundheitsorganisation WHO heute einen Toleranzwert von 200 Fasern pro Kubikmeter Luft anstrebt, lag die tatsächliche Belastung bei einer Milliarde (!) Fasern pro Kubikmeter Atemluft. 1969 wird Spritzasbest in der DDR verboten, in der Bundesrepublik 1973 die Staubschutzmaske beim Umgang mit Asbest eingeführt. Die Begrenzung der

Luftbelastung durch die gefährlichen Fasern wird auf 200.000 Fasern pro Kubikmeter festgelegt, eine Zahl, die für die Industrie folgenlos bleibt. 1979 wird Spritzasbest in der BRD verboten. Ein genereller Asbeststopp scheitert 1980 im Bonner Parlament. Zwei Jahre später wird bekannt, daß die natürlichen Asbestvorkommen in 25 Jahren verbraucht sein würden. Die Industrie muß jetzt mit Ersatzstoffen experimentieren, um ihre Produktion nicht zu gefährden. 1990: Die offiziell zugelassene Belastung der Luft liegt je nach Asbestart - bei 500.000 bis 1.000.000 Fasern pro Kubikmetern.

Das Erbe

In den siebziger Jahren beläuft sich der bundesdeutsche Asbestverbrauch auf jährlich 160.000 Tonnen, 1988 auf 60.000. Bei den jährlich 25.000 Lungenkrebstoten steht als Verursacher die kanzerogene Luftverschmutzung an dritter Stelle.

Bremsbeläge beispielsweise bestehen bis zu 20 Pozent aus Weißasbest. Insgesamt wurden 1980 12.000 Tonnen Asbest in Reibbelägen verarbeitet. Erst 1988 wurde der Einbau asbesthaltiger Bremsbeläge in Neuwagen verboten, die alten bremsen weiter mit dem krebserregenden Stoff. Dach-und Fassadenplatten sowie Druck-und Kanalrohre haben 1980 noch 75 Prozent der gesamten Asbestproduktion geschluckt. Durch die natürliche Verwitterung und den Schwefeldioxidgehalt in der Luft wird Asbest aus den alten Platten nach und nach freigesetzt. Das Umweltbundesamt schätzt die verbauten Asbestplatten auf 870 Millionen Quadratmeter. Daraus würden im Jahresdurchschnitt etwa 1.000 Tonnen Asbest an die Umwelt abgegeben. Weiter vermutet das Amt, daß ungefähr 300 Millionen Quadratmeter als Dacheindeckung und Fassadenverkleidungen

verbaut worden sind. Zusätzliche Belastung: 1.000 Tonnen Asbest pro Jahr. ma

„Asbest, der tödliche Staub“ ist eine Broschüre des Vereins für Umwelt-und Arbeitsschutz (VUA), des Instituts für integrierten Arbeitsschutz (IiA) und des Bremer Umweltinstituts, 1990, 8,-