Alles vergeht, das Turnier besteht

■ Kleiner Wandel durch die Stadthalle zur Zeit des „Großen Preises der Freien Hansestadt“

Allesalles ändert sich, die Hafenstraße goes tennis, die DDR will nicht bleiben, was sie niemals war, nur eines, eins bleibt bestehen: das Reit-und Springturnier, auch wenn es jetzt Bremer Pferdesport Festival heißt. Ein Doppeloxer ist immer noch ein Doppel

oxer, die Pferde werden im Winter immer noch ganzkörperrasiert, bis auf das Fleckchen unterm Sattel, die Reiter beim Großen Preis von Bremen am Sonntagnachmittag haben immer noch rote Röcke aus der Zeit an, als man damit noch hinter der Meute Wild zu Tode hetzte und sind fast immer Männer. Die DressurreiterInnen tragen immer noch Frack, sind dafür aber oft weiblich, wie ich auf dem Video neben dem Abreiteplatz sehe, „Aufzeichnung pro Ritt: Springen 9 DM, Dressur 15 DM“, das immerhin gab's vor zwanzig Jahren noch nicht.

Und auch die beiden gakeldreisten Tauben, die aufstäuben, wenn wieder ein schnaubendes Roß aufs Hindernis zustürmt, hätte es früher nicht gegeben. Aber diese wunderbare Luft aus Manege und Pferdeapfel! Und die beiden alten Bauern da rechts, die auf ihre „peer“ aufpassen, die sehen immer noch so aus wie vor der Zeit, als sie Landwirt hießen, und das feierliche Grüßen der ReiterInnen vor der Richtertribüne mit Mütze ab und dann das konzentrierte Angaloppieren dieses riesigen Fuches Nr. 160, und die Luft, die alle hörbar durch die Zähne ziehen, wenn es grade

nochmal gut gegangen ist, dies Zusammenkrampfen vor jedem Sprung, diese Qual, wenn zwei nicht in Harmonie sind, das Pferd losfliegt ohne daß der Reiter das Herz vorausgeworfen zu hat, diese riesigen Rösser, schnaubend, angsterfüllt, angstlustig auf die Hindernisse zustürmend, immer noch gebarrt, mit harter Eisenstange zum Heben der Hinterbeine abgerichtet.

Und der jetzt der leichte Applaus, wenn Garlic, der bißchen häßliche Fuchs Nr. 160 alle vier Hindernisse auf der Graden vor der Richtertribüne ohne Fehler passiert hat und jetzt ist er durch, 0 Fehler, Garlic kommt ins Stechen; und tatsächlich, der Ansager, ist immer noch der unverwüstliche und völlig unverzichtbare Hans-Heinrich Isenbart. Keiner kann die Sekunden so sonor, so weltmännisch und so impeccable-intim annunzieren wie er jetzt, keiner kann aus der Nr. 160, Heinrich-Wilhelm Johannsmann, den großen Namen modulieren; einen, der so klingt, daß man später sagen kann, man ist dabeigewesen.

Und da, mit der Nr. 160, haben wir Ihnen auch schon den Sieger vorgestellt, der nach dem Stechen den Großen Preis von Bremen, 10.000 DM von Audi und vom Bremer Senat, entgegennimmt. Aus den Händen von Sportsenator Volker Krönung, der dem Landauer mit den drei Haake-Beck-Rössern triumphal entsteigt und dem Sieger den Zettel mit der Summe drauf zusteckt. Bloß Garlic, boykottiert die Verbindung von Auto, in Gestalt von Audi-Chef H.-P.Roloff, Senat und Pferd, er scheut.

Uta Stolle