Mop - Besen - Union-Jack

■ Gordon Parks, schwarzer Dokumentarfotograf im Forum Böttcherstraße / 40 Jahre Fotografie

Stellen Sie sich vor: Sie haben es geschafft. Sie haben Ihren Anstellungsvertrag in der Tasche, bei einer Bundesbehörde in Gottes eigenem Land. Die Aussicht auf eine interessante Betätigung wärmt Ihr Gemüt, auch wenn draußen der kontinentale Eiswind

um Ihre Nasenspitze weht. Als professioneller Augen-Mensch werden sie beauftragt, sich zunächst einmal in Ihrer neuen Heimat umzusehen und Sie tun dies mit Wohlgefallen. Sie beschließen sich einen Film im Kino anzusehen und werden nicht eingelas

sen, in Restaurants verweigert man Ihnen das Essen und in einem Kaufhaus werden Sie nicht bedient. Stellen Sie sich vor, Sie sind schwarz.

Gordon Parks, Jahrgang 1912, der erste schwarze Fotograf, der es zu einigem Weltruhm brachte, war als fünfzehntes Kind einer armen Farmerfamilie aus einem Nest im tiefen Mittelwesten an Diskriminierung gewöhnt. Als er dreißigjährig nach Washington, D.C. kam, hatte er schon verschiedene Vergangenheiten als Kellner, Klavier-Spieler oder Basketball-Profi hinter sich und doch war er empört über die unerwartet rassentrennerischen Washingtoner.

Reportagefotografie war sein Ausgangspunkt gewesen, sein Anstoß, als er fünf Jahre zuvor als Speisewagenkellner zufällig über eine Fotoreportage stolperte, die ihm zeigte, was er kannte: Armut. Er kaufte sich eine Kamera und begann, sich notdürftig als free-lance Fotograf durchzuschlagen. Für eine Reportage über die Negerslums von Chicago wurde er mit einem Stipendium beköstigt und ein Jahr später folgte der Ruf nach Washington, wo Parks für die „Farm Security Administration“, eine Organisation, die für die Roosevelt'sche 'New Deal'-Politik Stimmung machte, die Armut der Farmer in den Neuengland-Staaten dokumentieren sollte.

Doch zunächst einmal staute sich Empörung, staute sich der Wille, mit seiner „Waffe“, der Kamera, gegen die Rassendiskriminierung anzugehen. Während der Plan gärte, zog er durch den amerikanischen Nordosten, fotografierte die Menschen an ihren Arbeitsplätzen, Fischer in Gloucester, Hafenarbeiter in New York, Farmer und Händler in Maine. Er fotografierte auch die Küsten-oder andere Landschaften, aber der Schwerpunkt seiner Arbeit lag auf den Gesichtern, den Menschen, denen er mit dem Auge seiner Kamera eine ruhige Würde verleiht. Aus seinen Fotos, aus dem scharfkantigen Spiel

von Licht und Schlagschatten in den lebensgegerbten Gesichtern spricht die Solidarität der Underdogs, die Gemeinsamkeit derer, die sich in den beschränkten Möglichkeiten ihres Lebens am Boden des Reichtums eine innere Wahrheit geschaffen haben.

Zwischendurch versuchte er die Diskriminierung der Rassen in eine fotografische Form zu fassen. Sein wohl berühmtestes Bild, das von der Putzfrau Ella Watson, der er einen Besen und einen Mop in die Hand gedrückt hatte, und sie vor eine formatfüllende US-Flagge gestellt, zeigt das. Die Gedrücktheit ihres Blicks, die Last der fünfzig Staaten auf ihren Schultern, die Insignien ihrer Entwürdigung in der Hand, und doch nicht gebrochen, doch ist Amerika an ihr nichts als Staffage, die ihre Selbstbehauptung

nicht verhindern kann.

Es folgten eine Anstellung bei „Life“, für die Parks Reportagen fotografierte, Modefotos, Portraits von Berühmtheiten aus aller Welt. Parks schrieb reihenweise Bücher, über Fotografie, über sein Leben und über Fiktives. Er veröffentlichte diverse Kompositionen für Piano und kleines Ensemble und wurde zum ersten schwarzen Serien -Regisseur in den USA. Eine Tellerwäscher-Karriere sozusagen. Nur, daß ein Schwarzer in den USA so lange er sich erinnern kann und den Blick für Realitäten nicht verlernt, immer ein Schwarzer bleiben wird, ausgestattet mit der Grunderfahrung Rassendiskriminierung und schon deshalb sensibel für die Not der Menschen in diesem Teil der Welt. Gordon Parks hat lange genug hingesehen.

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