Senat am Müllstopp selbst schuld?

■ Harte Verhandlungslinie von SPD-Senator Wagner hat DDR-Giftmüllstopp für Vorketzin provoziert / Senat beruft sich zu Unrecht auf den „Stichtag 31.März“

Während Senat und Berliner Stadtreinigung (BSR) gestern weiter fieberhaft nach Zwischenlagern für Sondermüll fahndeten, begann auch die Suche nach den Westberliner Verantwortlichen für das entstandene Chaos. Im Fadenkreuz steht nun Betriebesenator Wagner (SPD), der die Aufsicht über die Berliner Stadtreinigung (BSR) führt. Seine harte Linie in den Verhandlungen über einen Stopp der Giftmülltransporte nach Vorketzin hat offensichtlich das überaschende Ultimatum provoziert, das DDR-Umweltminister Diederich am Montag verhängte.

Am Montag hatte der DDR-Minister, wie berichtet, den Stopp -Tag vom 31.3. auf den 15.Februar vorgezogen. Seine Begründung: In den Verhandlungen zwischen der Senatsfirma Berlin Consult (BC) und der DDR-Außenhandelsfirma Intrac sei nichts herausgekommen. Nach Recherchen der taz ist Diederichs Vorwurf durchaus berechtigt: Denn der DDR -Minister hatte zwar in einem Gespräch mit Umweltsenatorin Schreyer Ende Januar zugesichert, bis zum 31.März bleibe die Mülldeponie für die Industrieabfälle offen; in den darauffolgenden Verhandlungen zwischen Intrac und BC weigerte sich der Senat jedoch beharrlich, seinerseits zu diesem Stichtag einen Stopp der Transporte zuzusagen. Deshalb kam keine Vereinbarung zustande.

Wagners Beamte waren in den Verhandlungen nur bereit, einer butterweichen Absichtserklärung zuzustimmen. Sie wollten sich lediglich verpflichten, so der Wagner-Text, „in intensiven weiteren Verhandlungen Lösungen zu finden, um die Lieferungen bis zum 31.März endgültig einzustellen“. Einer härter gefaßten Formulierung, die die Intrac vorgelegt hatte, verweigerten die Senatsleute ihr Ja-Wort. Dort hätten sie sich verpflichten müssen, daß „alles getan wird, um die Transporte zum 31.März endgültig einzustellen“.

Während sich der Senat heute auf Diederichs Frist bis zum 31.März beruft, war er nie bereit, selbst diesen Termin einzuhalten. „Wir waren mit dem Termin 31.März einverstanden“, behauptete Schreyers Staatssekretär Groth gestern vor dem parlamentarischen Umweltausschuß - für Wagner galt das „wir“ offenbar nicht. Glaubt man dagegen Wagner-Sprecher Göbel, dann gab es im Senat „ein Einvernehmen, daß wir Zeit gewinnen müssen“.

Zeit ist genau das, was der Senat jetzt verloren hat; heute werden die letzten Sondermülltransporte in Vorketzin angenommen. Die Hoffnungen von BSR und Umweltverwaltung konzentrieren sich jetzt auf ein Zwischenlager der Firma Alba in der Reinickendorfer Flottenstraße, das für zwei Wochen reichen könnte. Bis dahin, so hoffte gestern Schreyer -Referent Schwilling, könnten erste „Segmente“ eines mobilen Tanklagers den Betrieb aufnehmen, das die Behörde nebenan auf dem Gelände der ehemaligen Kupferraffinerie aufbauen möchte. Von drohenden Betriebsstillegungen aufgrund des Müllstopps war im „Verband der Chemischen Industrie“ gestern noch nichts bekannt.

hmt