Der Preis der Vereinigung

Auszüge aus der Erklärung Modrows auf der Bonner Pressekonferenz  ■ D O K U M E N T A T I O N

(...) Am 1. Februar habe ich einen Stufenplan für die Vereinigung der beiden deutschen Staaten vorgelegt. Gewiß kann man heute darüber diskutieren, wie sie ineinander geschachtelt oder nacheinander gestaltet werden, aber notwendig wird bleiben und sein, daß hier mit Bedacht und Augenmaß weiter vorgegangen wird. Vorstellungen, auch die einen künftigen Bundesstaat betreffend, mit Ländern auf dem Territorium der DDR von heute erwarten und erfordern natürlich, daß auch darüber in Gründlichkeit gearbeitet und auch hier davon ausgegangen wird, daß ein Prozeß eingeleitet werden muß, der mit der verfassunggebenden Arbeit zusammenhängt.

(...) Ich muß gerade jetzt daran erinnern, daß die Einheit Deutschlands näher rückt. Möge man nie vergessen, daß vom Volk der DDR in die Vereinigung nicht nur die bittere Niederlage des Realsozialismus eingebracht wird, sondern auch jenes stolze Wort: „Wir sind das Volk.“ Ich hoffe zutiefst, daß dieses Wort und sein politischer Inhalt nicht verloren gehen werden. Möge man nie vergessen, daß die DDR in ein künftiges Deutschland Werte einzubringen hat, geistige und kulturelle Werte, die in Jahrzehnten trotz alledem gewachsen sind, und materielle Werte, deren sich die Arbeiter und Ingenieure, die Bauern und Handwerker, ja auch die sogenannten kleinen Angestellten nicht schämen brauchen.

Wer heute rasch und gern nur von einer instabilen DDR oder deren schwierigen Wirtschaft spricht, muß sich am Ende auch befragen lassen, ob man den Preis der Vereinigung nicht zu sehr zu Lasten des Volkes drücken will. Meine Regierung kennt die Substanz der DDR sehr genau - und ich sage Ihnen, das ist eine sehr hoffnungsvolle Grundlage. Fleißige Menschen, fähige Menschen, ja, wie sich immer mehr zeigt, durchaus kreative Menschen. Und hinzu kommt, ein enormes Anlagenvermögen, das zwar investitionsbedürftig ist, aber keineswegs völlig veraltet.

(...) Ich nenne eine Summe. Das Nettonationalvermögen der DDR beträgt 1,4 Billionen Mark, darunter in Staatseigentum 980 Milliarden Mark und 6,2 Millionen Hektar unbelastete landwirtschaftliche Nutzfläche. Hier ist also ein großer Raum für all jenes, was der Bundeskanzler in bezug auf Investitionen, in bezug auf künftiges Zusammenwirken hervorhob. (...)